Montag, 18. März 2024

Jorge González: "Ich bin alles, was die AfD hasst"

 Ein geistreicher Interviewpartner

Daraus:

"ZEITmagazin ONLINE: Wie haben 30 Jahre Deutschland Sie verändert?

González: Ich könnte jetzt sagen, dass ich zielorientierter, fleißiger und diszipliniert geworden bin. Vor allem habe ich aber spazieren gehen gelernt. Anfangs habe ich mich immer gefragt, wo die ganzen Leute hinlaufen und warum sie im Kreis gehen. Heute rufe ich meine Freunde an und frage, ob wir eine Runde im Park drehen."

https://www.zeit.de/zeit-magazin/unterhaltung/2024-03/jorge-gonzalez-heimat-migration-deutschland/komplettansicht

2022 betrug das jährliche Durchschnittsgehalt

 rund 50.700 Euro brutto

Monatlich entspricht dies einem Gehalt von um die 4.225 Euro brutto und einem Stundenlohn von etwa 26 EUR pro Stunde brutto

Ein Rückblick auf die Corona-Maßnahmen in der Pandemie

 Kanzlerin Angela Merkel erklärte den Deutschen am 18. März 2020, was in der Pandemie auf sie zukommen werde. [FR 17.3. 2024]

"Es war der Moment, als alle die Luft anhielten. Am Abend des 18. März 2020 trat die Bundeskanzlerin vor die Kameras. Angela Merkel hatte Bedeutendes zu sagen. Die Bilder aus der Tagesschau kannte man bereits: Lkws, die beladen mit vielen Toten die italienische Stadt Bergamo verließen. Alles in der Dunkelheit, möglichst wenige sollten aufmerksam werden, doch gesehen hatte es die ganze Welt. Und auch die Regierenden in Berlin.

„Es ist ernst“, sagte Kanzlerin Angela Merkel im Ersten, ZDF und anderen Fernsehsendern zu den Deutschen. „Nehmen Sie es auch ernst.“ Ein klitzekleines Virus hatte die Welt im Griff. Schon im Dezember hatte man aus China beunruhigende Nachrichten vernommen, dass dort eine Epidemie ausgebrochen sei. Einige warnten bereits eindringlich, hier gehe eine Gefahr für die ganze Welt aus. Meldungen über eine Corona-Epedimie die meisten Zeitungen auf ihren Panorama-Seiten. Erst einige Wochen später sollte es zu einem weltpolitischen Gegenstand werden – und auf die Politikstrecke und die Titelseiten vorrücken. Doch bis dahin herrschte fast überall Business as usual.

In Deutschland erwachte man erst am 9. März aus dem selbstgerechten Schlummer. In Heinsberg hatten sich in einer Karnevalssitzung einige Menschen mit dem Corona-Virus infiziert. An dem Tag wurde der Tod von zwei Menschen gemeldet. Deutschland hatte die ersten Corona-Toten zu beklagen. Einige Teilnehmer hatten sich zuvor beim Skifahren in Österreich mit dem Virus infiziert. Zugleich gab es immer mehr Bilder aus Bergamo, wo gespenstische Verhältnisse herrschten. Viele fragten sich, wann reagiert die deutsche Regierung auf die bedrohliche Situation. Doch hierzulande herrschte eiserne Zuversicht. Man habe alles im Griff, hieß es. Bis Merkel im TV auftrat. Die Corona-Pandemie sei die größte Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg, erklärte sie dem sichtlich erstaunten Publikum. „Wir müssen aus Rücksicht voneinander Abstand halten.“ Es sei „existenziell“, das öffentliche Leben so weit es geht herunterzufahren. [...]

Doch nun war konkrete Politik gefordert. Sie fordert Bürgerinnen und Bürger auf, sich an die Regeln und Einschränkungen zu halten, die der Staat ihnen auferlegt. Alles, was Menschen gefährden könnte, müsse reduziert werden, sagte sie. Es gehe darum, „Zeit zu gewinnen“. Die Ausbreitung des Virus müsse verlangsamt werden. Und das hänge maßgeblich davon ab, wie diszipliniert jeder und jede die Regeln befolge und umsetze, betont Merkel. Disziplin, das Zauberwort der Deutschen. Merkel schob nach: „Es kommt ohne Ausnahme auf jeden Einzelnen und damit auf uns alle an.“ Die Alternative lautete nun: entweder Lockdown oder eine hohe Zahl an Pandemieopfern. Letzteres war aus Sicht der Bundesregierung ausgeschlossen. Die Bilder aus Bergamo hatten ihre Wirkung gezeigt. Nun zeigte der Staat, zu was er in der Lage ist. Man wollte in der Regierung unbedingt verhindern, dass es zu sogenannten Triage-Entscheidungen in Krankenhäusern kommt, dass Ärzte wählen müssten, wer am Leben bleibt und wer sterben müsse. [...]

Öffentliche Ängste sind immer eine Bedrohung für Institutionen. Sie erlauben es dem Staat, seinen Bürgern weitreichende Rechte aus Gründen der Sicherheit zu entziehen. Die ab dem 22. März 2020 in Deutschland praktizierte Form der sozialen Distanz und des Verbleibens in den eigenen vier Wänden erschien richtig. Doch es folgt ein großes Aber. Alle politischen Monster des 20. Jahrhunderts hebelten die Demokratie aus, weil sie sich auf die Furcht der Menschen stützen konnten. Solche Krisen erzeugen Tyrannen. Und auch dieses Mal war es die Angst vor dem unbekannten, das die entscheidende Rolle spielte. Müssen wir also nicht sehr achtsam sein? Das fragten sich einige. Sie gingen wenige Monate später auf die Straße, um für die Wiedereinsetzung ihrer Grundrechte zu demonstrieren. Die anderen hielten ihnen vor, Vernunftverzicht zu üben. Die Risse in der Gesellschaft waren unverkennbar.  [...]

Im Blick zurück wähnte sich der Wissenschaftler Armin Nassehi in einem soziologischen Hauptseminar. Der Modus der Ununterscheidbarkeit der Deutschen war nämlich schnell verloren. Man habe beim ersten Lockdown „zu drastischen Maßnahmen gegriffen, das war ja schon ein Durchregieren, wenn man so will“, sagte er der FR zwei Jahre später. Man habe die „Wahl zwischen Pest und Cholera“ gehabt. Nicht alles lief so glatt, wie es zunächst den Anschein hatte. Die Länder in der Europäischen Union schotteten sich ab. Es gab Lieferengpässe, Gereiztheiten, Verteilungskämpfe. Die Deutschen horteten Klopapier, die Franzosen Rotwein. Masseneinkäufe waren angesagt.

In den USA häuften sich indes die Todeszahlen. Das Land wurde von Donald Trump regiert, und der war sichtlich überfordert. Den staunenden Amerikanern erklärte er: „Das Virus wird einfach verschwinden, wie durch ein Wunder.“ Doch das ließ auf sich warten. Dafür trat es in Deutschland ein. Vor dem Sommer gab es erste Lockerungen des Lockdowns. Man war hervorragend durch die Zeit gekommen. So schien es zunächst. Und es gab neue öffentliche Intellektuelle, die den Menschen erklärten, wo es langgeht. Wofür früher Philosophen wie Jürgen Habermas oder Schriftsteller wie Günter Grass standen, da fanden sich nun Virologen wie Christian Drosten oder auch Ugur Sahin, dem Gründer von Biontech, der den Impfstoff gegen das Virus entwickelte.

Dem Rechtsphilosophen Reinhard Merkel schwante nichts Gutes: „Man muss sich bei der Abwägung ökonomischer und pandemischer Folgen darüber klar sein, dass auf beiden Seiten die Risiken exorbitant sind. Vielleicht kommen wir mit den ökonomischen Kollateralschäden halbwegs glimpflich davon“, er glaubte jedoch im Jahr 2020: „Das wird globale Erschütterungen und Verwerfungen nach sich ziehen“, sagte er in einem Interview mit der FR. Aber könnte es nicht sein, dass die Nach-Krisen-Gesellschaft solidarischer sein wird? „Manche Ethiker glauben das. Ich nicht. Ich halte das für blauäugig, um nicht zu sagen kindlich. Moralisch hochlobenswert, sicher, aber im realistischen Blick naiv. Wir werden harte Verteilungskämpfe kriegen nach dem Ende dieser Krise. Auch die AfD wird wieder aus ihrem eigenen politischen Lockdown herauskommen“, sagte Rechtsphilosoph Merkel. Er sollte recht behalten."

Sine ira et studio

Was ist bei der "Querdenker"-Demonstration geschehen?

Ich kann den Sachverhalt nicht beurteilen, aber wenn einerseits die Teilnahme von Rechtradikalen an Demonstrationen als Begründung gesehen wird, eine Demonstration als ungerechtfertigt erscheinen zu lassen, dann ist es problematisch, wenn Ordner der Demonstration schwer dafür bestraft werden, wenn sie versuchen, Rechtradikale an der Teilnahme zu hindern. - Da in der Darstellung nichts darüber gesagt wird, was die Folgen des Eingriffes waren (es könnte ja eine lebensgefährliche Verletzung mit Todesfolge gewesen sein), kann ich den Fall nicht beurteilen. Ich möchte aber auf die Problematik aufmerksam machen.

 "In Stuttgart werden seit Jahren vor allem antifaschistische Aktivist*innen zu Bewährungs- oder sogar zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Zu den bekanntesten Betroffenen gehört Jo: Gegen ihn wurde im so genannten Wasen-Verfahren eine Gefängnisstrafe von viereinhalb Jahren verhängt, weil er an einer körperlichen Auseinandersetzung mit Rechten am Cannstatter Wasen beteiligt gewesen sein soll. Jo und weiteren Antifaschist*innen wird vorgeworfen, am 16. Mai 2020 Mitglieder der rechten Schein-Gewerkschaft „Zentrum“ an der Arena in Stuttgart-Cannstatt angegriffen und verletzt zu haben, als diese an einer Querdenken-Demonstration teilnehmen wollten. Es folgte eine große Offensive der baden-württembergischen Repressionsorgane gegen die antifaschistische Bewegung im Südwesten unter Federführung der eigens geschaffenen Ermittlungsgruppe „Arena“, die wegen Landfriedensbruchs und versuchten Totschlags ermittelte. Vor allem in der Landeshauptstadt reihten sich Anquatschversuche, offene Observationen und staatsanwaltschaftliche Zeug*innenvorladungen aneinander. Am 2. Juli 2020 kam es zu einer Razzia, bei der ein enormes Polizeiaufgebot neun Wohnungen von Antifaschist*innen in Stuttgart und anderen baden-württembergischen Städten durchsuchte und Jo in Untersuchungshaft nahm. Weitere Hausdurchsuchungen und die Verhaftung eines zweiten Genossen folgten am 4. November 2020. Für die Prozessbegleitung und Knastsolidarität gründete sich das Bündnis „Antifaschismus bleibt notwendig!“, das gemeinsam mit der Roten Hilfe OG Stuttgart praktische Unterstützung, Öffentlichkeitsarbeit sowie Solidaritätsaktionen organisiert. [...] An das Urteil schließt sich eine zivilrechtliche Schadensersatzforderung mit einem Streitwert von 140.000 Euro an. Um diese Kosten aufzubringen und die betroffenen Antifas und ihre Familien zu entlasten, haben die Solidaritätskampagne „Antifaschismus bleibt notwendig!“ und die Rote Hilfe einen Spendenaufruf gestartet. Durch Einzelspenden und Solidaritätsevents konnte schon ein Teil des Geldes gesammelt werden, aber um die enorme Summe zu erreichen, wird weiterhin viel finanzielle Unterstützung benötigt: 

• Rote Hilfe Stuttgart DE66 4306 0967 4007 2383 13 GENODEM1GLS Stichwort: Notwendig"

mehr dazu: https://rote-hilfe.de/sites/default/files/2024-03/Rote-Hilfe_18-3-2024_web.pdf

Rote Hilfe: "Mauern können uns nicht trennen"

 Ich möchte auf die Arbeit der Roten Hilfe aufmerksam machen, weil ci die Arbeit von Amnesty International für sehr wichtig halte. Die Arbeit der Roten Hilfe kenne ich zu wenig, um mir ein Urteil zu erlauben.

"Solidarität hat eine ungemeine Kraft. In der alltäglichen Antirepressionsarbeit gelingt es oft, einen gemeinsamen Umgang mit den Folgen staatlicher Kriminalisierung und Gewalt zu finden. Durch ihre Unterstützungspraxis kann die Rote Hilfe e. V.gewähren, dass im Falle von Geldstrafen keine*r im Regen stehen bleibt. Deutlich herausfordernder ist der Umgang mit Haftstrafen, da sich am Ende der gemeinsamen Vorbereitung die Knasttore hinter den Betroffenen schließen. Zwischen ihnen und der Bewegung liegen fortan schwere Mauern. Haft kann auf unterschiedliche Weise zustande kommen. Teils liegen Monate oder sogar Jahre zwischen der kriminalisierten politischen Betätigung und dem Haftantritt. Mitunter kann es auch sehr schnell gehen, beispielsweise wenn eine Festnahme aus der Aktion heraus erfolgt und Untersuchungshaft angeordnet wird. Entsprechend unterschiedlich sind die Möglichkeiten, sich mit dem bevorstehenden Szenario auseinanderzusetzen. In jedem Fall relevant sind die eigene inhaltliche Auseinandersetzung und die daraus resultierende Haltung, die sich die Betroffenen bereits vor dem Repressionsmomentum angeeignet haben und in der laufenden Auseinandersetzung ausbauen und festigen. Denn die Vorbereitung auf den Knast ist nur in nachgelagerter Weise eine technisch-organisatorische Angelegenheit. Erfahrungsgemäß macht es Sinn, die Diskussion über das politische Selbstverständnis voranzustellen. „Wofür gehe ich in den Knast“ und „was soll der Knast bezwecken“ – es sind oft die ganz elementaren Fragen, deren Antwort es sich zu vergewissern gilt. Es ist immer sinnvoll, diese kollektiv zu besprechen. Das gibt Sicherheit und Halt für die Momente alleine in der Zelle. Natürlich dürfen auch die ganz praktischen und organisatorischen Fragen nicht zu kurz kommen. Wie läuft das mit den Besuchen, der Kleidung, der medizinischen Versorgung, den Zeitungsabos, dem Essen? Dinge, die nicht im Vorhinein geklärt sind, sind um ein Vielfaches mühsamer zu klären, wenn die Kommunikation nur noch eingeschränkt möglich ist. Das betrifft insbesondere auch die Fragen der politischen Einbindung. Wie kann ich Teil der politischen Bewegung bleiben? Denn natürlich muss das Ziel sein, dass das politische Engagement nicht nach dem Haftantritt pausiert, sondern auch unter den geänderten Rahmenbedingungen fortgesetzt werden kann. Für die Antirepressionsbewegungen stellt die Solidarität über Knastmauern hinweg eine immer öfter anfallende Herausforderung dar. Nicht weniger herausfordernd ist der Umstand, dass sich zunehmend Aktivist*innen entscheiden, einen anderen Weg zu gehen, und sich einer Haftstrafe durch Untertauchen entziehen. Der Verfolgungseifer des Staates und der daraus resultierende Repressionsdruck auf das soziale und politische Umfeld erschweren eine Diskussion hierüber. Zumal eine praktische Unterstützung schnell eine eigene Kriminalisierung nach sich ziehen kann. Das schränkt auch die Handlungsmöglichkeiten der Roten Hilfe e. V. ein. Es hält uns aber ganz gewiss nicht davon ab, allen Untergetauchten Freiheit und Glück zu wünschen."

Unterbrechung

 "Unterbrechung ist die kürzeste Definition von Religion", so der Theologe Johann Baptist Metz.

Ein schwieriger Satz. Vielleicht helfen folgende Überlegungen: ein Kind oder ein anderes Familienmitglied verletzt sich. Hat Schmerzen. Mit einem Schlag wird klar, was wichtig ist. Der gewohnte Tagesablauf wird unterbrochen und es geht ins Krankenhaus. Warten, und dann die Nachricht: "alles nicht so schlimm".

Diese Unterbrechung zeigt den Beteiligten was wertvoll ist. Hier, die Unversehrtheit des Körpers und die Dankbarkeit für ein Leben ohne Schmerzen.

Unterbrechung ist also ein Hereinbrechen einer anderen Dimension – letztendlich das Aufblitzen des Himmelreiches. Werte von denen Jesu erzählt.

Ostern feiern wir seine Auferstehung als großes Fest. Eine schöne Unterbrechung im Ablauf des Jahres.

(https://www.fastenkalender-koeln.de)