Sonntag, 29. Oktober 2023

Deutsche Schriftsteller fordern Solidarität mit Israel

  VON ANDREAS PLATTHAUS, faz.net 27.10.2023

Lebensmittelpreise

 Bei 19 untersuchten Grundnahrungsmitteln in verschiedenen Filialen von vier Supermarkt- und Discounterketten in fünf Großstädten in NRW gab es Preisunterschiede von bis zu 400 Prozent.

Für Menschen mit geringem Einkommen oder ohne eigenes Einkommen sind die Preissteigerungen ein großes Problem. Der Bürgergeldsatz für Lebensmittel liegt pro Tag bei etwa 5,75 Euro. Mit Hartz IV waren es 5,20 Euro. Das reicht nicht für eine gesunde Ernährung. Daher sollte die Politik aus Sicht der Verbraucherzentralen dringend handeln. Immerhin 16 Prozent der Menschen in Deutschland gelten laut Paritätischem Wohlfahrtsverband als arm. Und immer mehr Menschen sind von Ernährungsarmut betroffen und können sich nicht mehr ausreichend ernähren.

Sieh auch:

Entwicklung der Lebensmittelpreise von Jan. 2020 bis Sept 2023 (Statistisches Bundesamt)

Schnipsel aus der DDR-Geschichte

 Steffen Mau: Lütten Klein Leben in der ostdeutschen Transformationsgesellschaft, Suhrkamp 2019

1. Leben in der DDR

Die Erinnerung an die DDR-Gesellschaft trügt rallerdings nicht vollends, auch wenn sie nur einen Teil der Verhältnisse spiegeln mag. In der DDR spielte die normative Selbstbindung an gesellschaftliche Gleichheitsziele eine große Rolle, der erreichte Grad an sozialer Egalität galt sogar als Fortschrittsmaß der sozialistischen Gesellschaft. Die DDR hat zwar nicht die klassenlose Gesellschaft eingeführt, sich aber doch daran gemacht, gravierende materielle Ungleichheiten zu beseitigen. Die Enteignungswellen in der sowjetischen Besatzungszone und in den ersten Jahren der DDR, die Verstaatlichung großer Bereiche/sowie die begrenzten Möglichkeiten der Vermögensbildung wirkten der Entstehung von Besitzklassen im Sinne des Soziologen Max Weber entgegen. Das Eigentum an Immobilien, Luxusgütern oder Produktionsmitteln war kein hervorstechendes gesellschaftliches Differenzierungskriterium, dass eine Statusordnung begründet hätte. Als privilegiert galten diejenigen, denen ein Häuschen an der Ostsee gehörte oder zugeschanzt wurde. Wer sich jedoch von anderen absetzen wollte, wurde schnell mit Konsumengpässen konfrontiert, dem uniformen Angebot und der  begrenzten Produktpalette. In wichtigen Bereichen, etwa im Wohnungswesen, beim Zugang zur Urlaubsplätzen oder bei der Bildung, spielte Geld nur eine untergeordnete Rolle und wurde von anderen, eher politischen Distributionsmodi überlagert. Was in der Erinnerung als Gesellschaft der Gleichen erscheint, war eine nach unten hin nivellierte Gesellschaft." (S. 43/44)

2. Transformationen, S.113 ff.

Zusammenbruch und Übergang, S.113 ff.

Dieses – für jeden Soziologen spannende – Kippen von Einschüchterung und Anpassung zu offenen Widerspruch erlebte ich als NVA-Soldat im Grundwehrdienst in der Werder Kaserne in Schwerin hautnah mit. ...















Fotos: S.S.118/119

"[...]Was die eigentlich risikoaversen DDR-Bürger trieb, war dabei weniger die Lust am Untergang als vielmehr die Hoffnung auf Veränderung. Das Umschlagen subjektiver Ohnmacht in kollektive Handlungsmacht hatte etwas Berauschendes – so habe ich es damals empfunden und so muss es vielen, vor allen den Jüngeren gegangen sein, selbst wenn sie nicht zur Opposition zählten. War bislang alles starr und vorherbestimmt, hatten die versteinerten Verhältnisse, mit Marx gesprochen nun plötzlich zu tanzen begonnen." (Steffen Mau: Leben in der ostdeutschen Transformationsgesellschaft, Suhrkamp 2019, S.121)

2. Blaupause West, S.133 ff.

Der Organisierungsgrad der Parteien war weit geringer als im Westen. "Einzig die Linkspartei war mit einem festen Wählerstamm im Osten von Anbeginn verankert, wobei die Mitglieder Basis durch das Wegsterben der Älteren immer schmaler wird. Die AfD beginnt seit einiger Zeit, mehr und mehr Mitglieder einzusammeln – Ende 2018 waren es in Mecklenburg-Vorpommern schon über 750, die angegebene Zielmarke ist 1000. Schaut man auf die Ergebnisse der letzten Europawahl im Mai 2019, scheint die AfD auf dem Weg zur ostdeutschen Regionalpartei, die die traditionellen Volksparteien zum Teil überholt." (S.145) [Die Landtagswahlen in Bayern und Hessen 2023 zeigten freilich auch im Westen in dieselbe Richtung.]

"Die Wiedervereinigung steht, so gesehen, für eine Unternutzung des demokratischen Potenzials der friedlichen Protestbewegung und für eine Übernutzung des nutz nationalen Potenzials politische Mobilisierung. Den Lohn ehemaligen DDR Bürgern wurde zu verstehen gegeben, dass ich ihre Stellung und ihr Status vor allem vom Deutsch – sein ableitet und nicht auf ein Republikanisches Verständnis der Mitglieder schafft zurückgeht. Angesichts des Verlustes der Heimat DDR und der gleichzeitigen kulturell – politischen Entwertung dieser Identitätsressourcen nimmt es nicht Wunder, dass ich viele ostdeutsche bereitwillig auf dieses neue Identitätsangebot einlesen. Die DDR war keinesfalls frei von nationalen Anwandlungen, im Prozess der Vereinigung wurden diese Leidenschaften aber weiter versiert und identitätspolitisch aufgeladen (S. 149)

3. Vermarktlichung S.150 ff.
Allein von 1989 auf 1990 brach die Industrieproduktion der DDR um über vierzig Prozent ein, weil im Osten die Märkte wegfielen und/man gegenüber dem Westen nicht konkurrenzfähig war: die ersten Entlassungswellen trafen die Menschen aus heiterem Himmel. [...] Von den im Jahr 1989 Erwerbstätigen arbeiteten vier Jahre später gut zwei Drittel nicht mehr im ursprünglichen Beruf, bei Personen auf den höheren Leitungspositionen waren es neunzig Prozent. Arbeitslosigkeit wurde binnen kürzester Zeit zum ostdeutschen Kollektivschicksal, wobei die Folgen weit über den Kreis der unmittelbar Betroffenen hinausgingen. In praktisch jeder Familie musste(n) ein oder gar mehrere Mitglieder zu Hause bleiben, die urplötzlich nichts mehr mit sich anzufangen wussten und darauf warteten, dass die Gesellschaft ihnen ein Angebot machen würde. [...] Die im Westen nicht unumstrittene Eingliederung der ehemaligen DDR-Bürger in die bundesdeutschen Sozialsysteme war das Palliativ, um den Schmerz des Absturzes einigermaßen zu lindern." (S. 151)
"In den Folgejahren kam es in ganz Ostdeutschland im Zeitraffer zu einem dramatischen Anstieg der Arbeitslosigkeit bis auf Höchstwerte von über 20 Prozent. Vierzig aller Beschäftigten waren bis 1996 mindestens einmal arbeitslos. Die Frauen waren davon noch deutlich stärker betroffen als die Männer, was auch damit zu tun hatte, dass sie häufig in Sektoren arbeiteten, in denen der Strukturwandel besonders stark zuschlug: [...] Begleitet wurde die krankmachende Gesundschrumpfung durch eine ganze Reihe arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen, die für Ostbiografien als typisch gelten können: Vorruhestand, Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, Umschulungen und Kurzarbeit machten aus ehemaligen Werktätigen Kostgänger des Sozialstaates, die nun am Tropf öffentlicher Zuwendungen hingen. Nicht umsonst hat man die ostdeutschen als 'Pioniere der Prekarität' bezeichnet." (S.153)

"Die vielbeschworene Individualisierung ging in Ostdeutschland mit sozialer Separierung ein her. Freundeskreise zerrissen, Familienbande lockerten sich, Bildungskarrieren entwickelten sich auseinander, die Nähe des Wohnens wurde aufgehoben. Konkret stellten sich Fragen wie: Wer in meinem Freundeskreis kann sich den Restaurantbesuch oder eine gemeinsame Urlaubsreise leisten? Die formierte und auf einheitlich getrimmte Gesellschaft wurde fragmentierter, was auch bedeutete, dass die Individuen aufgefordert waren, sich in einer unübersichtlicher werdenden Statuslandschaft zu neu zu verordnen. [...] 
Wer gehofft hatte, nach dem Ende der DDR-typischen politisierten Verteilung von Positionen und Ressourcen würden nunmehr meritokratische Prinzipien einziehen, wurde enttäuscht. Statt Qualifikation und Leistungsbereitschaft waren es kontingente Umstände, die die Post-Wende-Biografien dirigierten: der richtige Ort, die richtige Zeit oder die richtigen Kontakte. Meine Mutter konnte sich in den Räumlichkeiten ihrer alten Poliklinik als Kassenärztin niederlassen. Dafür musste sie zwar mit über fünfzig Unternehmerin werden und Kredite schultern, / aber die Arbeit blieb ihr erhalten. So half den einen das Quäntchen Glück, andere gerieten in die Teufelsmühle von Jobverlust, Arbeitsbeschaffungs-maßnahmen und Umschulung." (S.159/160)

Gemeinsamkeiten von DDR und BRD

Viele sind sich der Ähnlichkeiten während der 40 Jahre Trennung nicht bewusst“ FR 30.9.23

Interview mit Gunilla Budde ["So fern, so nah. Die beiden deutschen Gesellschaften (1949-1989) 2022]

"Die Liebe zu Jeans und zum Kleingarten: Die DDR und die BRD hatten viel gemeinsam. Historikerin Gunilla Budde über eine geteilte deutsche Geschichte, von der wir auch jetzt noch lernen können. [...]

Die Gärten in der DDR wurden noch weit stärker als in der Bundesrepublik zur Selbstversorgung genutzt – und manchmal auch für mehr. In meinem Buch berichtet ein Zeitzeuge, dass er an einem Lebensmittelgeschäft ein Schild entdeckte, auf dem überraschenderweise nicht der Ver- sondern der Ankauf von Obst und Gemüse von Schrebergärten aus der Umgebung beworben wurde. Verlegen erklärte der Händler, dass er in seinem Laden ausschließlich Obst und Gemüse aus den umliegenden Kleingärten verkaufen würde. [...]

Über die gesamten 40 Jahre der Trennung wurden Pakete von West- nach Ostdeutschland geschickt. Was genau packten die Familienmitglieder ihren Verwandten hinein?

Zunächst gab es staatliche Vorgaben, was hinein durfte und was nicht. Das SED-Regime hatte die Sendungen genau im Auge, rechnete aber auch zunehmend mit ihnen. Die beliebtesten Produkte waren Bohnenkaffee, Seife, Perlonstrümpfe und Apfelsinen. Weil die Pakete oft länger unterwegs waren, faulten manchmal die Orangen schon etwas. Man kann sich vorstellen, dass sich dadurch ein ganz eigenartiger Duft entwickeln konnte: Eine Mischung aus Kaffee, überreifen Südfrüchten und Seife verbanden die ostdeutschen Familien mit den Paketen, gleichsam den Duft der großen, weiten Welt. Entsprechend fieberte man allmonatlich dem Westpaket entgegen.

[...] bei aller Freude, die sie auslösten, wurde die Geschichte der Westpakete nach und nach auch zu einer Geschichte der Missverständnisse. Allabendlich vorm Fernseher sah die Ostverwandtschaft im Werbefernsehen, was es im Westen alles an Markenprodukten zu kaufen gab. Das steigerte die Erwartungen, aber auch die Forderungen. Wenn dann der Aldi-Kaffee im Paket ankam, der im Westen selbst getrunken wurde – und nicht die ersehnte „Krönung“ – kam es zu Spannungen. Die Westverwandtschaft wiederum schickte teilweise auch noch in den 1970er Jahren Mehl, Butter und Rosinen, die in der DDR schon lange keine Mangelware mehr waren.

Als Dank für die West-Pakete kamen aber auch Päckchen aus dem Osten.

Eben dafür wurden diese Zutaten geschickt. Denn ein Klassiker zu Weihnachten war der Dresdner Stollen. Aber auch Langspielplatten des Thomaner-Chors und die handgeschnitzten Erzgebirgsengel waren beliebte Gegengaben, mit denen man sich im Osten revanchieren wollte, um nicht als bloßer Almosenempfänger dazustehen. Doch die spannungsreiche Schieflage blieb, denn Westpakete wurden bis zum Ende der DDR verschickt. [...]"

Steffen Mau:

Im großen und ganzen besteht Einigkeit über die Haupteinschätzungen. [Das Problem ist nur, dass die Leute nicht das tun wollen, was für die gewünschten Ziele erforderlich wäre.]

"Ich befürchte, dass gerade Wasser in das Fundament des Hauses der Demokratie eintropft. Und es ist wahnsinnig aufwendig, das durchnässte Fundament wieder trockenzulegen. Deswegen ist es so gefährlich, wenn Akteure aus der Mitte affektgeladene Diskurspolitik betreiben. Das habe ich der Regierung auch gesagt."

In der Sprache der Versicherungen nennt man so etwas Allmählichkeitsschaden. Der wird lange nicht entdeckt, bis er ungemein groß geworden ist.

Die gegenwärtigen Konflikte bezögen sich aber nicht auf das Hauptproblem, sondern auf sogenannte Trigger. Also so etwas wie Gendern oder Verbote kleinerer Art. Man regt sich wahnsinnig darüber auf, obwohl man in den Hauptfragen an sich übereinstimmt. 


Freitag, 27. Oktober 2023

Avi Primor über Greueltaten in Poddembice

 "[...] Von einem Urlaub zurückgekehrt nach Poddembice, seinem Dienstort, notiert Hohenstein: »Das Unglaubliche ist Tatsache geworden. Während meiner Ferien vollzog sich die Ausmerzung der Juden von Poddembice. Ich und meine Familie danken unserem Herrgott von ganzem Herzen, daß er es uns erspart hat, Zeugen dieses grauenvollen Verbrechens zu sein oder gar aufgrund meines Amtes Henkerdienste leisten zu müssen. Ich will versuchen, so sachlich wie möglich niederzulegen, was ich erfuhr.«

Und dann folgt, was ihm sein Vertreter Heinitzer berichtet, der Zeuge, der alles mit ansah: »Ich habe niemals geglaubt, daß Menschen, deutsche Menschen so bestialisch, so sadistisch sein können. Sie wissen ja, daß die Judengemeinde seit Februar täglich vollzählig und geschlossen zur Kontrolle in den Schloßpark marschieren mußte. Eines Tages, es war der 14. April, wurden die Juden von einem großen Aufgebot an Gendarmerie in Empfang genommen. Scharf eskortiert trieb man die Juden in die polnische Kirche. Zur gleichen Zeit wurden sämtliche jüdischen Arbeiter von ihren Arbeitsplätzen weggeholt. Auch Hermann aus Ihrem Grundstück. Zehn Tage wurden die Juden in dem Gotteshaus gefangengehalten, ohne Betten und Decken, nichts von sanitären Anlagen, kein Klosett, fast dreitausend Menschen. Kinder wurden geboren und Menschen starben in dieser qualvollen Enge. Die Türen wurden von SS-Männern Tag und Nacht bewacht. Auf Kosten der Stadtverwaltung wurden die Juden mit Brot und Margarine versehen. Zweimal täglich durfte ein Trupp Männer Wasser vom Brunnen vor der Kirche holen. Das Heulen und Wehklagen, das Jammern und Schreien der unglücklichen Juden vernahm man Tag und Nacht, es war grauenhaft, gruslig. Am zehnten Tage, in früher Morgenstunde, wurde die Pforte des Gotteshauses aufgerissen und die Juden truppweise herausgelassen. Zerzaust, zerlumpt, dreckig, fast verhungert, glichen sie eher unheimlichen Spukgestalten als lebendigen Menschen. In diesem Zustand wurden sie wie Vieh auf Lastautos getrieben. Dann fuhr die Kolonne mit ihrer Todesfracht zum ersten Mal ab. SS-Motorradler zur Seite und hinterher. Nach Stunden kam die Autokolonne wieder zurück, und der zweite Akt dieses Dramas begann. Frau Goldo kam mit ihrer Tochter aus der Kirchentür. Sie sah Herrn Helferich, eilte auf ihn zu und flehte ihn um Rettung an. Ihr Mann, der Judenälteste, bot ihm in hastigen Worten ein Vermögen in solcher Höhe, daß Helferich nie wieder zu arbeiten brauchte. Inzwischen waren SS-Männer
auf diese Szene aufmerksam geworden. Sie schlugen auf die Unglücklichen ein, ergriffen den Judenältesten und mißhandelten ihn so schwer, daß er über und über blutend zu Boden sank.«

»Das Schreckliche ereignete sich bei der dritten und letzten Verladung. Da brachte man die Kranken aus der Kirche. Sie wurden den Menschen auf den Wagen einfach über die Köpfe geschoben, wie Krautsäcke, immer hinauf und hinein, ungeachtet des Geschreies der Gesunden und Kranken. Als die letzten Wagen vollgepfropft waren, da brachte man die Toten hin, 28 sind während der Gefangenschaft in der Kirche verstorben. Und statt sie nun zurückzulassen, nahmen die SS-Scheusale die Leichen und warfen sie den lebenden Insassen der Autos buchstäblich auf die Köpfe. Sogar die deutschen Zuschauer schrien vor Entsetzen auf. Und noch etwas: Ihr Hausbursche Hermann und ein anderer junger Jude hatten sich im Dachreitertürmchen der Kirche versteckt. SS-Leute fanden die beiden Burschen und haben sie unmenschlich zerschlagen. Sie wurden auf den letzten Wagen geworfen. – Herr Bürgermeister, das kann unmöglich gut gehen. Daß ich als alter Mann so etwas noch erleben mußte. Ich habe das Leben hier so satt. Ich möchte heim, heim, heim. Erschüttert sah ich, daß Heinitzer weinte.«"

(Primor, S.214-216)

Zum Film über das Wartheländische Tagebuch, aus dem dieser Bericht stammt.

Buchnachweis

Mittwoch, 25. Oktober 2023

Österreich erstes Opfer von Besetzund durch NS-Deutschland und

 Avi Primor: »...mit Ausnahme Deutschlands« Als Botschafter Israels in Bonn, 1997

"Lange teilte ich die allgemeine, politisch und zeithistorisch heute unwiderlegbare Auffassung, wonach es Österreich war, das als erstes europäisches Land dem Expansionshunger Hitlers zum Opfer fiel – die sogenannte Vergewaltigung Österreichs. [...]

Interessant ist in diesem Zusammenhang eine Feststellung des amerikanischen Historikers John Weiss, Sohn einer aus Österreich stammenden katholischen Familie. In seinem Buch »Ideology of Death« setzt er den Anteil der Österreicher an der Gesamtbevölkerung des Dritten Reiches – er betrug acht Prozent – in Relation zur statistischen Größe des österreichischen Personals in den Konzentrationslagern: Sie machte etwa vierzig Prozent aus und bestand überwiegend aus freiwilligen SS-Leuten. Von den Mitarbeitern Eichmanns kamen siebzig Prozent aus Österreich." (S.28)


Avi Primor: "... mit Ausnahme Deutschlands"

 Avi Primor: "... mit Ausnahme Deutschlands"

"Gilt für alle Länder
mit Ausnahme Deutschlands

In den Pässen des jungen, 1948 gegründeten Staates Israel stand der Vermerk: "Gilt für alle Länder mit Ausnahme Deutschlands". Und so sollte es nach Ansicht der Überlebenden des Holocaust bleiben. Daß es diesen Vermerk schon lange nicht mehr gibt, ist zahllosen gutwilligen Männern und Frauen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft in beiden Ländern zu verdanken, die sich um die deutsch-israelischen Beziehungen verdient gemacht haben.

Avi Primor ist seit 1993 israelischer Botschafter in Bonn. Seine Mutter stammte aus Deutschland und emigrierte 1932 nach Israel. Sie verlor durch den Holocaust ihre Frankfurter Familie. Primor erfuhr als Kind über Deutschland so gut wie nichts. Erst nach und nach erlangte er Kenntnisse über das Land, traf mit Deutschen zusammen - mit widersprüchlichen Empfindungen.
Er beschreibt in ungewöhnlich offener Weise seine Erfahrungen mit Deutschland und den Deutschen, reflektiert drei Jahrzehnte diplomatischer Arbeit, erzählt mit viel Sinn für Humor Anekdoten und spricht über die Ängste seiner Landsleute. Vor allem aber liegt Avi Primor die gemeinsame Zukunft Deutschlands und Israels am Herzen, nicht zuletzt die wirtschaftliche Zusammenarbeit, von der er sich eine Stabilisierung des Friedensprozesses im Nahen Osten verspricht.

Zum 50-jährigen Bestehen des Staates Israel freuen wir uns, Ihnen die online-Veröffentlichung des Buches ''...mit Ausnahme Deutschlands'' von Avi Primor, Botschafter des Staates Israel in der Bundesrepublik Deutschland, präsentieren zu können.
Dieser, bislang in Deutschland einmalige Service, wurde ermöglicht durch eine innovative und großzügige Geste des 
Ullstein Verlags, Berlin." (hagalil.com)

"Avi Primor, geboren 1935 in Tel Aviv, studierte von 1952 bis 1955 Politikwissenschaft und Internationale Beziehungen in Jerusalem, New York und Paris. Er war u.a. von 1993 bis 1999 israelischer Botschafter in Deutschland. Avi Primor ist Gründer des Zentrums für europäische Studien an der Universität Herzliya in Tel Aviv und leitet dort einen trilateralen Studiengang für israelische, palästinensische und jordanische Studenten." (Perlentaucher)

Obwohl seine Mutter ihre gesamte nähere und fernere Familie durch den Holocaust verloren hatte, war der kein Thema, denn sie war schon 1932 nach Israel ausgewandert. Die Engländer waren der Gegner, ("Mit den Engländern wünschte man sich weder zu befreunden noch zu vergleichen; niemand bezweifelte, daß sie eines Tages wieder abziehen würden, und dieses Ziel hatte Vorrang vor allen anderen." S.12)

Da plötzlich drohte die Gefahr, dass Palästina erobert würde. De Gaulles Soldaten haben es verhindert, indem sie Rommel bei Bir-Hakeim so lange aufhielten, bis die Engländer so weit waren, ihn bei El Alamein zu besiegen. Die verhasste Besatzung sorgte dafür, dass Primor nicht vergast wurde. 
Rommel wollte unbedingt zur SS, aber sein Vater hat es ihm verboten. Der Vater war der Feldmarschall, der Sohn der spätere Oberbürgermeister, der 1987 als "Guardian of Jerusalem" ausgezeichnet wurde.  
Dass die Ukraine sich 1654 an Russland angeschlossen hat, gehört zur Leidensgeschichte des jüdischen Volkes (S.16), weil beim Aufstand des Kosakenführers Bogdan Chmelnizkijs gegen Polen "Massaker großen Ausmaßes an Polen, Jesuiten, römisch-katholischen Geistlichen und Juden begangen wurden.

Wie viele Juden den Pogromen zum Opfer fielen, ist aufgrund der Quellenlage nicht mit Sicherheit auszumachen: Der Völkermordforscher Gunnar Heinsohn schätzte, dass zwischen 34.000 und 42.500 Menschen ermordet wurden.[1] Der in Israel lehrende Historiker Shaul Stampfer kam bei seinen Berechnungen auf 18.000 bis 20.000 Tote,[2] was etwa der Hälfte der damals in der Ukraine (Rotruthenien dabei nicht mitgerechnet) lebenden Juden entsprach.[3] „Die Grausamkeit der Kosaken setzte grauenerregende Vorbilder in die Welt.“[4] Viele Juden (möglicherweise mehr als 1000) konvertierten zur Orthodoxen Kirche, um ihr Leben zu retten.[5] Mindestens 3000 Juden verkauften die Kosaken als Sklaven in das Osmanische Reich".[2]

(Wikipedia

Wenn Völker sich befreien, begehen sie Massaker an Juden. Das lernte der kleine Avi schon in der Grundschule; denn Geschichtsunterricht bestand für Juden in Palästina in jüdischer Geschichte. Da wurden viele Weltregionen zum Schauplatz und Ereignisse ins Licht gerückt, die anderswo nicht in den Blick kamen. In der ukrainischen und russischen Geschichte ist Bogdan Chmelnizkij selbstverständlich ein Held, innerhalb der europäischen und der Weltgeschichte natürlich völlig bedeutungslos. 

Textausschnitte:

"[...] Dann kam die Zeit ihrer systematischen Vernichtung, und auch dies, so meinten wir, nahmen sie widerstandslos hin. Hatten sie in ihrer Schicksalsergebenheit wenigstens versucht, ein paar Nazis mit in den Himmel zu nehmen? Im Gegenteil, sie ließen sich willig wie Lämmer zur Schlachtbank führen, es gab kein Feld der Ehre, auf dem sie heldenmütig hätten fallen können. Bedeutete all dies aber nicht, daß wir uns letztlich der ermordeten Brüder und Schwestern zu schämen hatten? [...] Völlig unbegreiflich schien nur das Ausmaß der Passivität, mit der sich die mittel- und osteuropäischen Juden ihren Unterdrückern und Mördern ergaben.

Dem Gefühl der Demütigung, das wir empfanden, lag eine mittlerweile längst verschwundene Unwissenheit zugrunde, eine beschränkte und wohl auch überhebliche Form der Ahnungslosigkeit. Außer dem Eindruck tiefer Erniedrigung bewirkte sie Ohnmacht und Wut. Doch um Rachebedürfnisse zu befriedigen, lag für uns Deutschland, das dies alles verursacht hatte, zu weit, außerdem wurde es nach dem Krieg von den Siegermächten beschützt. Im übrigen gab es andere, nicht weniger wichtige Probleme: Vor uns lagen der Kampf um die Erlangung der Unabhängigkeit und die Abwehr der Invasoren aus den Nachbarstaaten." (S.20-22)

Primor sah als Kind von 11/12 Jahren in der Wochenschau Bilder der "im Mai 1945 angeordneten Zwangsbesichtigung des Konzentrationslagers Buchenwald durch Angehörige der deutschen Bevölkerung von Weimar und Umgebung. Unvergeßlich der Anblick ordentlich gekleideter, disziplinierter Männer, Frauen und junger Leute, die, von G.I.s flankiert, in Reihen durch das Lager zogen. Und ebenso unvergeßlich der Horror der Leichenberge und der ausgemergelten Gesichter und Körper der Überlebenden, allesamt Elendsgestalten, von den Toten kaum zu unterscheiden. Schließlich dann die hilflosen, fast immer gleichlautenden Beteuerungen der Deutschen: Davon haben wir nichts gewußt, das alles war uns unbekannt. Eine amerikanische Journalistin, die die Aufnahmen kommentierte, faßte ihre Eindrücke in dem Satz zusammen, die Worte »Ich wußte nichts« hätten offenbar zur deutschen Nationalhymne gehört.

Nicht nur mit Schuld, auch mit Sühne und Bußopfer läßt sich auf vielerlei Weise umgehen. Bei einem Besuch Berlins, ich war schon Botschafter in Bonn, fiel mir an dem im Krieg durch Bomben beschädigten und weitgehend in diesem Zustand belassenen alten Turm der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche eine Gedenktafel auf. Ich mußte die Inschrift mehrmals lesen, sie erschien mir zumindest zweideutig: Die Turmruine solle, hieß es, »an das Gericht Gottes erinnern, das in den Jahren des Krieges über unser Volk hereingebrochen ist«. Ist der Satz wie eine biblische Textstelle zu verstehen, die etwa ein Jahr der Dürre im Land mit der Versündigung des Volks rechtfertigte? Wo liegt die Klammer, die eine solche Inschrift mit den an grausamer Realität durch nichts zu überbietenden Verbrechen Nazi-Deutschlands verbindet? Und schließlich: Über welches Volk war das Gottesgericht hereingebrochen? Nur über das deutsche? Wenn ja, dann fehlt die Begründung." (S.24)

"Es war 1994, bald nach unserer Ankunft in Deutschland. Das Gespräch zwischen meiner Frau und ihrem Tischherrn, einem höheren Beamten, bestand im wesentlichen aus dessen Monolog, in dem er die eigene Leidensgeschichte und die seiner Familie unter den Bombenangriffen der Alliierten in den letzten Kriegsjahren schilderte. Die Geduld meiner Frau war bewundernswert, gelangte schließlich aber an einen Punkt, an dem es ihr geboten schien, den Redefluß des Herrn mit einer kurzen Bemerkung zu unterbrechen. Genau die Zeit, von der er spreche, gab sie ihrem Nachbarn zu verstehen, habe ihre Mutter in Auschwitz verbracht. Er wandte sich darauf der Dame an seiner anderen Seite zu." (S.25)

Zum weiteren Text des Buches

Weitere Bücher Avi Primors















Dienstag, 24. Oktober 2023

Informationen zur deutschen Außenpolitik

 Informationen zur deutschen Außenpolitik

"Mitten im Ukraine-Krieg und während der Eskalation der Kämpfe im Nahen Osten übt die NATO Luftangriffe mit Atombomben gegen einen Feind mit den militärischen Fähigkeiten Russlands. Das Manöver Steadfast Noon, das den Einsatz von US-Nuklearwaffen durch die Luftstreitkräfte europäischer Staaten übt, hat am Montag vergangener Woche begonnen und dauert noch bis Donnerstag dieser Woche an." (Informationen zur deutschen Außenpolitik: https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9384 24.10.2023)

Montag, 23. Oktober 2023

Mythen über Wärmepumpen

Die fragwürdigen Mythen


 

Aus Rushdies Friedenspreisrede

 Wir leben in einer Zeit, von der ich nicht geglaubt habe, sie erleben zu müssen, eine Zeit, in der die Freiheit – insbesondere die Meinungsfreiheit, ohne die es die Welt der Bücher nicht gäbe – auf allen Seiten von reaktionären, autoritären, populistischen, demagogischen, halbgebildeten, narzisstischen und achtlosen Stimmen angegriffen wird, eine Zeit, in der sich Bildungseinrichtungen und Bibliotheken Zensur und Feindseligkeit ausgesetzt sehen; in der extremistische Religionen und bigotte Ideologien beginnen, in Lebensbereiche vorzudringen, in denen sie nichts zu suchen haben. 

Und es gibt sogar progressive Stimmen, die sich für eine neue Art von bien-pensant Zensur aussprechen, eine Zensur, die sich den Anschein des Tugendhaften gibt und die viele, vor allem junge Menschen, auch für eine Tugend halten

Von links wie rechts gerät die Freiheit also unter Druck, von den Jungen wie den Alten. Das hat es so bislang noch nicht gegeben und wird durch neue Kommunikationsformen wie das Internet noch komplizierter, da gut gemachte Webpages mitsamt ihren böswilligen Lügen gleich neben der Wahrheit stehen, weshalb es vielen Menschen schwerfällt, das eine vom anderen zu unterscheiden. Außerdem wird in unseren sozialen Medien Tag für Tag die Idee der Freiheit missbraucht, um dem Mob online das Feld zu überlassen, wovon die milliardenschweren Besitzer dieser Plattformen profitieren und was sie zunehmend in Kauf zu nehmen scheinen.

Was aber tun wir in Sachen Meinungsfreiheit, wenn sie auf derart vielfältige Weise missbraucht wird? Wir sollten weiterhin und mit frischem Elan machen, was wir schon immer tun mussten: schlechte Rede mit besserer Rede kontern, falschen Narrativen bessere entgegensetzen, auf Hass mit Liebe antworten und nicht die Hoffnung aufgeben, dass sich die Wahrheit selbst in einer Zeit der Lügen durchsetzen kann. Wir müssen sie erbittert verteidigen und sie so umfassend wie möglich definieren, was natürlich heißt, dass wir die freie Rede auch dann verteidigen, wenn sie uns beleidigt, da wir die Meinungsfreiheit sonst überhaupt nicht verteidigen würden. Verlegerinnen und Verleger gehören zu den wichtigsten Wächtern der Meinungsfreiheit. Danke für eure Arbeit und bitte, wenn dies überhaupt geht, dann macht sie noch besser, seid noch tapferer und lasst tausend und eine Stimme auf tausend und eine verschiedene Weisen sprechen.

Um es mit Cavafy zu sagen: »Die Barbaren kommen heute«; und ich weiß, Kunst ist die Antwort auf Philisterei, Zivilisation die Antwort auf Barbarei: In einem Kulturkrieg aber können Künstler und Künstlerinnen aller Art – Filmemacherinnen, Schauspieler, Sängerinnen und ja, die Ausübenden jener Kunst, die von den Buchmenschen der Welt Jahr für Jahr in Frankfurt versammelt werden, um sie zu fördern und zu feiern, diese alte Kunst des Buches – sie alle gemeinsam können die Barbaren noch von den Toren fernhalten.


Dienstag, 17. Oktober 2023

"Bienenfeld-Honig" - in Projekt mit literarischer Assoziation

 https://www.fr.de/politik/drohnen-ukraine-russland-krieg-minen-bienen-honig-diplomatie-zr-92580715.html

Bienen im Krieg

Kurkow: Graue Bienen 

Der Chef des israelischen Geheimdiensts Schin Bet, räumt Versäumnisse vor dem Massaker der Hamas ein

 "Ronen Bar, der Chef des israelischen Inlandsgeheimdiensts Schin Bet, hat Versäumnisse seiner Organisation vor dem Massaker der Hamas eingeräumt. Wie die Tageszeitung Ha'aretz berichtet, schrieb Bar in einem Brief an seine Mitarbeiter, die fehlende Warnung vor dem Angriff der Hamas falle in seine Verantwortung.


Trotz vieler Aktivitäten habe sein Geheimdienst dabei versagt, eine ausreichende Warnung auszugeben, die es ermöglicht hätte, die Attacke zu verhindern, schrieb Bar. Etwaige persönliche Konsequenzen erwähnte er nicht. Aber er ergänzte: 
Es wird eine Zeit für Untersuchungen geben. Jetzt sind wir im Krieg.
Shin-Bet-Chef Ronen Bar
Vor Ronen Bar hatten bereits mehrere hochrangige Kommandeure der Armee und der Chef des Nationalen Sicherheitsrates ihre Mitverantwortung für die Schutzlosigkeit der Bevölkerung vor dem Hamas-Angriff eingestanden. Ha'aretz hebt hervor, dass Premierminister Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Joaw Galant dies bislang nicht getan haben."

Zur Situation auf dem Gaza-Streifben

 https://www.jungewelt.de/artikel/461245.pal%C3%A4stina-wirtschaft-am-boden.html

Montag, 16. Oktober 2023

Man sollte annehmen, solche Kommentare könne es gar nicht geben

 „Der Terror der Hamas ist keine Eskalationsstufe, nein, es ist einfach nur eine andere Ausdrucksform. Die widerlichste, verachtungswürdigste von allen, der heimtückische Mord, das Massaker. Aber der Hass, er hat dieselbe Wurzel: Antisemitismus. Die Anti-Corona-Demonstranten sind ebensolche Antisemiten.“ 

"Noch vor anderthalb Jahren, nicht vor 80, standen 50.000 Menschen am Brandenburger Tor, und in ihren vom Hass dumm gewordenen Gesichtern war auch der Judenhass zu erkennen. Der deutsche, über Jahrhunderte gegärte, garstige Judenhass."

Woraus kann man bei einer Corona-Demonstration auf Judenhass schließen? Aus den Gesichtern? und das bei 50 000 Menschen??

Beifall für Verschwörungstheorien, die den guten Willen von Bill Gates nicht nut in Zweifel ziehen, sondern als belegt ausgeben. Das könnte beweisen, dass hier Hass geschürt werden soll, aber von fern gesehene Gesichter sollen Judenhass beweisen. 

Wie kann man den erkennen, selbst wenn man aus nächster Nähe in ein von blinder Wut verzerrtes Gesicht schaut?  Angesichts einer solchen  Behauptung ist schon geradezu belanglos, dass man auch erkennen können soll, wie alt das Hassgefühl einer Person ist.

Quelle: https://www.nachdenkseiten.de/?p=105354  - Noch darf man hoffen, dass hinter der Bezahlschranke ein ganz harmloser Text steht und der Autor die haarsträubenden Behauptungen nur erfunden hat. Hoffen darf man, aber halten Sie diese Hoffnung auch für begründt?

Samstag, 14. Oktober 2023

David Grossmann über die Angriffe der Hamas auf Israel

 "Mein Land steht unter Schock. Und ich bin zornig auf unsere Regierung. Aber es gibt eine Rangordnung des Bösen, und keine israelische Tat hält dem Vergleich mit den Massakern der Hamas stand.

'Mein Land steht unter Schock. Und ich bin zornig auf unsere Regierung. Aber es gibt eine Rangordnung des Bösen, und keine israelische Tat hält dem Vergleich mit den Massakern der Hamas stand.
Mehr als tausend Ermordete, 2900 Verletzte, Hunderte entführt oder gefangen. Die Rettung eines jeden Menschen ein Wunder. An Klugheit und Mut.

Unzählig die Wunder, unzählig die ­Op­fer und Heldentaten von Soldaten und Zivilisten, doch ein jedes erinnert an den kriminellen Leichtsinn unserer Sicherheitsdienste, deren Chefs sich selbst – und uns – jahrelang davon überzeugt ­haben, wir wären hier in der Region die Stärksten und Raffiniertesten, aufs Kriegshandwerk verstünde sich niemand besser als wir.

Ich schaue in die Gesichter meiner Mitmenschen. Schock. Dumpfheit. Die Herzen schwer vor ständiger seelischer Belastung. Immer wieder versichern wir einander: ein Albtraum, ein beispielloser Alb­traum. Ihn zu beschreiben fehlen die Worte. Worte vermögen ihn überhaupt nicht zu fassen. [...]"

Dienstag, 10. Oktober 2023

Peeling mit Algenhut

 https://www.fr.de/hintergrund/peeling-mit-algenhut-92567599.html FR10.10.23

Kelping, Wale, Kelpwald

"[...] Wale spielen mit Seetang und anderen Algen und das auf eine teils recht verrückte Art und Weise. Dies hat der deutsche Walforscher Olaf Meynecke, der an der Griffith University in Australien tätig ist, in einer neuen Forschungsarbeit dokumentiert. „Wir haben in den sozialen Medien über 100 Beispiele von Walen gesammelt, die mit Algen spielen“, berichtet der Wissenschaftler. Das spielerische Verhalten, das in Australien als „Kelping“ bekannt ist, ist nicht die Eigenart einer bestimmten Spezies. Im Gegenteil: Sämtliche Walarten – von Grauwalen bis hin zu Buckelwalen – scheinen eine Vorliebe für das Grünzeug im Meer zu haben. [...]"

Sonntag, 8. Oktober 2023

Autonomes Fahren

 https://www.zeit.de/2023/42/autonomes-fahren-lizenz-tesla-mercedes-bmw

Teslas fahren quasi von selbst, sagt Elon Musk. Doch eine Lizenz dafür haben nur Mercedes und BMW.


Musk probiert autonomes Fahren auf Stufe 5, muss eingreifen, als das Auto eine rote Ampel überfahren will.

Mercedes uns BMW haben haben für Serienautos Zulassungen für Stufe 3 erhalten (Autobahn bis 60/kmh, gedacht für Stausituationen), wenn die Automatik nicht zurechtkommt, fährt sie rechts ran.

Familienunternehmen werden seltener von den Kindern weitergeführt

 https://www.zeit.de/2023/42/familienunternehmen-verkauf-next-gens-erbe

Jedes vierte Unternehmerkind hält es für wahrscheinlich, die Familienfirma zu verkaufen. Das klingt schlimmer, als es ist.

Samstag, 7. Oktober 2023

Gendern an deutschen Universitäten

 https://www.faz.net/aktuell/karriere-hochschule/gender-pflicht-an-deutschen-hochschulen-wacklige-rechtsgrundlage-17805594.html (FAZ Stand 2022)

Über die Entwicklung der Regelungen im deutschsprachigen Raum seit 2018:

Wikipedia: Geschlechtergerechte Sprache:

  • 2018 erlaubt das Gesetz zur Änderung der in das Geburtenregister einzutragenden Angaben, die neue Geschlechtsoption „divers“ zu wählen; zusammen mit (intergeschlechtlichen) Personen, deren Geburtsgeschlecht rechtlich „offengelassen“ wurde, gelten Diversgeschlechtliche nach dem deutschen Personenstandsgesetz als weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet, woraus sich auch Konsequenzen für ihre angemessene Benennung und eine gendergerechte Schreibung im Deutschen ergeben.
  • 2018 entscheidet der Bundesgerichtshof gegen die Frauenrechtlerin Marlies Krämer, dass der Gebrauch generischer Maskulinformen in der Unternehmenskommunikation mit der Kundschaft nicht gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verstößt.
  • 2020 erklärt Sachsens Justizministerium, in zukünftigen Gesetzentwürfen und Rechtsverordnungen keine männlichen Bezeichnungsformen im verallgemeinernden Sinne zu verwenden, sondern geschlechtsneutrale Formulierungen und an passenden Stellen Paarformen.
  • 2021 wird in Sachsen und in Schleswig-Holstein verordnet, dass an Schulen zur geschlechtergerechten Schreibung keine Genderzeichen wie der Genderstern verwendet werden dürfen; in Baden-Württemberg und Bremen ist das den Schulen freigestellt.
  • 2023 dehnte das sächsische Kultusministerium das Verbot, durch Sonderzeichen zu gendern, auch auf die Kooperationspartner der öffentlichen Schulen aus.[137]

Was sind gegenwärtig die dringlichsten Probleme, die bei den Landtagswahlen eine Rolle spielen sollten?

 Wegen der unzureichenden Maßnahmen für den Klimaschutz scheint es mir wichtig, zu verhindern, dass Grüne und SPD zu sehr unter der Obstruktionspolitik durch die FDP leiden. Gegenwärtig scheint es so, dass in erschreckend großem Umfang Befürworter und Gegner des Klimaschutzes beide diese Parteien nicht mehr wählen: die einen, weil diese Parteien zu wenig für den Klimaschutz tun, die andren, weil sie angeblich zu viel dafür täten.

Alle anderen Themen erscheinen mir trotz all ihrer Wichtigkeit demgegenüber relativ unwichtig. Insbesondere die wirtschaftliche Lage und die Digitalisierung, denn die wirtschaftliche Lage wird ohnehin immer wichtig genommen werden, und die Digitalisierung hat eine sehr starke Lobby.

Bei Flüchtlingspolitik/Migration ist der m.E. entscheidende Fehler (die de facto Beseitigung des Asylrechts) bereits von Jahrzehnten passiert. Die Migration als solche ist m.E. unproblematisch. Gefährlich ist, dass ihre Bedeutung zum Zwecke der Förderung des Rechtsradikalismus überbetont wird und dass zu wenig für die Integration der Geflüchteten getan wird.

Ein Problem, das nicht angeführt wird, ist, dass Arbeit im sozialen Sektor unterbezahlt wird und dass deshalb Arbeitskräfte fehlen. Der Grund der Unterbezahlung liegt nicht zuletzt an der Unterbewertung dieser Arbeiten, aber auch daran, dass die Steuerpolitik seit den "Reformen" in der Nach-Kohl-Ära die Besserverdiener und Erben ganz unverhältnismäßig bevorzugt.

Meine Antwort auf eine Frage bei gutefrage.net

https://www.gutefrage.net/frage/landtagswahlen-2023-welche-themen-sind-fuer-euch-am-wichtigsten

Hat die deutsche Einigung stattgefunden, oder wurde der Osten okkupiert? Oder was ist passiert?

 Es geht. Es geht tatsächlich, aus einem Festakt, der eine Pflichtübung ist – es gehört sich zwar für eine Großstadt wie Frankfurt, eine Feierstunde zum Tag der Deutschen Einheit auszurichten, [...], eine Veranstaltung zu machen, bei der sich alle glücklich schätzen können, die dabei waren. Am Dienstag in der Paulskirche war es so. Der Oberbürgermeister fasste sich angenehm kurz, Mike Josef (SPD) sagte, was zu sagen ist, vom tiefen Dank an diejenigen in der damaligen DDR, die das Regime zu Fall gebracht haben, sprach er, auch davon, wie wenige einst überhaupt noch an eine staatliche Einheit der Deutschen geglaubt hätten.

Dann aber gehörte die Bühne der Schriftstellerin Juli Zeh und dem Literaturwissenschaftler Dirk Oschmann. Nicht gut stehe es um die innere Einheit Deutschlands, befanden beide. Der Westen habe die Wiedervereinigung 1990 vor allem als ein Problem gesehen, meinte Zeh. Der Westen habe an seinem abfälligen Reden über den Osten nie etwas geändert, ergänzte Oschmann, der in Gotha aufwuchs. Dabei sei die Einheit immer noch ein Wunder und jedenfalls für ihn eine Explosion an Lebensmöglichkeiten gewesen.

Es war, kurzum, kein Interesse auf westlicher Seite, die Wiedervereinigung auf Augenhöhe anzugehen, so der Literaturwissenschaftler, dessen Buch „Der Osten: eine westdeutsche Erfindung“ zu einem Bestseller geworden ist. Noch heute, sagt Oschmann, sei das Bild des Westens vom Osten klischeebehaftet,...

https://www.faz.net/aktuell/rhein-main/frankfurt/juli-zeh-und-dirk-oschmann-auf-der-suche-nach-der-augenhoehe-19217745.html 

Freitag, 6. Oktober 2023

FR-Klima: Stille Krankheit

"[...] Papst Franziskus hat in seiner neuen Enzyklika zur Klimakrise ein interessantes Bild dazu gefunden: Extremes Wetter wie Hitze und Dürre seien die greifbaren Ausprägungen „einer stillen Krankheit, die uns alle betrifft“, schreibt er in seinem apostolischen Schreiben, das diese Woche veröffentlicht wurde. Denn auch wenn sich in diesem Sommer die Extremereignisse häuften, ist die Klimakrise auch an den milden, stillen Herbsttagen präsent. 
Während der Papst die Mitglieder seiner Kirche zu mehr Klimaschutz aufruft, wird in der EU mit Wopke Hoekstra ein ehemaliger Öl-Manager zum neuen Klimakommissar ernannt. Politiker:innen im Umweltausschuss haben es geschafft, ihm einige ambitionierte Aussagen abzuringen. Ob er sich daran halten wird, steht auf einem anderen Blatt – aber immerhin kann man seine Politik nun daran messen. [...]" 
"Franziskus warnte vor Mutlosigkeit mit Blick auf den Klimawandel. „Zu sagen, dass man sich nichts zu erwarten braucht, gliche einer Selbstverstümmelung“, schreibt der Pontifex. „Denn es würde bedeuten, die gesamte Menschheit, insbesondere die Ärmsten, den schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels auszusetzen.“ "



Donnerstag, 5. Oktober 2023

Alte sowjetische Panzer könnten für die Ukraine zum Problem werden

 "[...] Der britische Militäranalyst Nicholas Drummond gab bereits bei der ersten Sichtung der alten Panzer zu bedenken: Eine Panzerabwehrwaffe vom Typ „Javelin“ koste ungefähr 200.000 US-Dollar und ein alter Panzer kaum etwas. Im aus russischer Sicht schlechtesten Fall, sei der Panzer ein „nützliches Artelleriegeschütz“. Oder für die Ukraine noch gefährlicher: „Quantität an sich, kann auch zur Qualität werden“, schrieb Drummond auf X (vormals Twitter). [...]"

Wenn die Munition wesentlich teurer ist als die Waffe.

"Noch weiß die Ukraine mit den USA die größte Militärmacht der Welt als Unterstützer an ihrer Seite. Doch durch den Haushaltsstreit zwischen Republikanern und Demokraten bröckeln die Mehrheiten für weitere Militärhilfe. Und auch in Polen steht die Unterstützung in der Ukraine im Vorfeld der Parlamentswahlen in rund einer Woche wieder zur Debatte."

Die Zeit könnte gegen die Verhandlungsmöglichkeiten der Ukraine gespielt haben.

https://www.fr.de/politik/russland-panzer-uralt-ukraine-krieg-einsatz-problem-kiew-putin-zr-92561060.html FR 5.10.23


Montag, 2. Oktober 2023

Obdachlosigkeit, Wohnsitzlosigkeit, Wohnungslosigkeit

 Der Übergang von Wohnsitzlosen zu Obdachlosen ist fließend. Wer wohnsitzlos ist, ist ständig gefährdet, obdachlos zu werden, und der Wohnungslosenhilfe gelingt es immer wieder, Obdachlosen Wohnungen zu verschaffen. Doch es kommen stets neue Obdachlose hinzu.

Die Wikipedia definiert daher Obdachlosigkeit so: "Obdachlosigkeit ist eine Lebenslage, in der Menschen keinen festen Wohnsitz haben und im öffentlichen Raumim Freien oder in Notunterkünften übernachten. Die Mehrzahl der Obdachlosen in den Industriestaaten ist männlich, unter den alleinstehenden Obdachlosen machen Männer etwa 80 % aus. Ende 2022 hatten 263.000 Menschen in Deutschland nach Angaben der Bundesregierung keine eigene Wohnung.[1]"

Wohnungslose ist deshalb als Oberbegriff gewählt worden, der Wohnsitzlose   und  Obdachlose umfasst. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe betont: Obdachlos sind auch Menschen in Notunterkünften, die keinen festen Wohnsitz haben und in Wärmestuben, Notschlafstellen oder anderen niedrigschwelligen Einrichtungen übernachten.

Bei Obdachlosen ist auch allein vom Habitus aus kaum zu unterscheiden, wo jemand übernachtet hat. Im Winter gelingt es zum Glück weitgehend, Obdachlosen in Wärmebussen Notschlafstellen zu verschaffen, die das Jahr über im Freien übernachten.

Das Ziel der Wohnungslosenhilfe ist es, allen, die unfreiwillig obdachlos sind, die Möglichkeit zu verschaffen, sich wieder in Wohnungen einzugewöhnen. Das ist ein schwieriger Lernprozess für alle, die langfristig obdachlos waren. Und in der Zeit, wo der Wohnungsmangel so groß ist wie heute, ist es oft unsäglich schwer, überhaupt ein Angebot an Schlafstellen zu verschaffen.

Frage auf gutefrage.net: Weshalb verbessern gerade Russlanddeutsche mein Deutsch?

 Meine Antwort:

Vielleicht wollen sie dir helfen?

Als ich längere Zeit an einer Schule in England unterrichtete, hat mir ein englischer Kollege einmal erläutert, was man in England beim Telefonieren anders macht als in Deutschland. Ich fand das sehr hilfreich. Und als Russlanddeutsche haben sie vielleicht Erfahrungen mit typischen Fehlern gemacht, die Sprecher von slawischen Sprachen besonders häufig machen.

Ein anderer Grund kann natürlich auch sei, dass deine Meinung ihnen nicht gefällt.

Als wir nach einem mehrjährigen Englandaufenthalt nach Deutschland zurückkehrten, haben wir abends immer Englisch gesprochen, damit unsere jüngste Tochter ihr Englisch nicht verlor, bevor es in der Schule unterrichtet wurde.

Als ich also abends einmal meinen Sohn auf Englisch ausschimpfte, sagte er mir mir vorbildlicher Aussprache, was für Fehler ich gemacht hatte. Ich fand das etwas frech, aber auch geistreich.

Da ich Deutschlehrer bin, könnte ich dich auf deine Fehler aufmerksam machen. Aber du hast mich ja nicht ausgeschimpft. Deshalb habe ich versucht, dir mögliche Gründe anzugeben.