"Das war Manns Problem schon bei seiner Berliner Rede "Von Deutscher Republik" 1922): Wie lässt sich Kritik an der eigenen Herkunft üben, ohne sich dabei des Verrats schuldig zu machen?
Thomas Mann bezieht Position gegen sich selbst: Er prangert die unterwürfige Haltung der Deutschen vor staatlicher Obrigkeit an, die er selbst einst gepredigt hatte. Er klagt das Verhältnis der Deutschen zur Politik als ein "Unverhältnis" an, das er selbst jedoch ursprünglich forciert hatte. Er kann nicht anders, als immer noch, als amerikanischer Staatsbürger Englisch sprechend, vom "deutschen Blut" zu reden, aber er gibt sich nun wenigstens die Mühe einer Reflexion über die deutsche Herkunft des Verhängnisses. Daher spricht er, wie es ihm angemessen erscheint, von Luther, wenn auch nicht von dessen wutspeiendem Antisemitismus, sondern allgemeiner davon, dass dieser das "Cholerisch-Grobianische" im deutschen Nationalcharakter deponiert habe."
Thomas Manns Deutschlandrede von 1945
Publiziert in:
Die Neue Gesellschaft / Frankfurter Hefte Nr. 1-2 (2001).
Die Neue Gesellschaft / Frankfurter Hefte Nr. 1-2 (2001).
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