Sendung vom 18.07.2001
[...]
Gaus: War
die deutsche Teilung, Frau May, nur eine politisch-staatliche
Teilung, oder auch eine soziale? Ich hatte den Eindruck, als ich hier
privilegierter Beobachter DDR war, daß es auch eine soziale Teilung
war. Ich habe darüber geschrieben. Es ist eigentlich nie so richtig
ins Bewußtsein gedrungen, glaube ich. Die Eigentums- und
Besatzungspolitik, auch die Bildungspolitik der SED vertrieb große
Teile des Mittelstands, der größeren Bauern und der Akademiker. Es
blieb im Grunde eine Schicht zurück, die sich erst im Laufe der Zeit
wieder auffächerte. Die erste Frage in diesem Zusammenhang: War
diese Teilung auch eine soziale Teilung? Und zweitens: Trägt das zu
der Fremdartigkeit im Umgang zwischen Ost und West immer noch
bei?
May: Sie haben eine Tatsache übersehen, und diese erscheint mir die entscheidende. Wir hatten eine getrennte Währung. 1948 hat die Bundesrepublik mit der D-Mark sich dem Dollar angeschlossen, während wir am Rubel hingen und eine Währung bekamen, die in der westlichen Welt nichts mehr wert war. Insofern war dieser soziale Unterschied schon durch die unterschiedliche Währung gegeben. [...]
May: Sie haben eine Tatsache übersehen, und diese erscheint mir die entscheidende. Wir hatten eine getrennte Währung. 1948 hat die Bundesrepublik mit der D-Mark sich dem Dollar angeschlossen, während wir am Rubel hingen und eine Währung bekamen, die in der westlichen Welt nichts mehr wert war. Insofern war dieser soziale Unterschied schon durch die unterschiedliche Währung gegeben. [...]
Gaus: Die
Nachfolge der Weigel als Mutter Courage: Wie sind Sie damit fertig
geworden?
May: Das war furchtbar, weil ich den ganz falschen Weg gegangen bin. Ich habe mir auf den Proben immer wieder die Bänder von der Weigel angehört, weil ich sie eben so grandios fand in dieser Rolle, weil ich überhaupt dieses ganze epische Theater zum ersten Mal erlebt hatte. Das war ja die erste Aufführung, die in Brechts Regie 1948 im Deutschen Theater stattfand. Das war für mich umwerfend. Nun wollte ich eben die Weigel studieren, und dann „weigelte“ ich. Ich fing plötzlich an, etwas Österreichisch zu sprechen, und über meinen Tonfall dachte ich: Das bin ich doch gar nicht mehr. Da war plötzlich die Weigel. Also das mußte ich dann alles vergessen. Bis zur Premiere … Dann rutsche ich in ein Regiekorsett hinein, in dem ich mich dann so verbiß und mir gar nichts mehr traute. Es war ein furchtbarer Prozeß. Auch bei der Premiere war ich noch nicht so. Nach zehn, zwölf Vorstellungen wurde dann die May zur Courage. [...]
May: Das war furchtbar, weil ich den ganz falschen Weg gegangen bin. Ich habe mir auf den Proben immer wieder die Bänder von der Weigel angehört, weil ich sie eben so grandios fand in dieser Rolle, weil ich überhaupt dieses ganze epische Theater zum ersten Mal erlebt hatte. Das war ja die erste Aufführung, die in Brechts Regie 1948 im Deutschen Theater stattfand. Das war für mich umwerfend. Nun wollte ich eben die Weigel studieren, und dann „weigelte“ ich. Ich fing plötzlich an, etwas Österreichisch zu sprechen, und über meinen Tonfall dachte ich: Das bin ich doch gar nicht mehr. Da war plötzlich die Weigel. Also das mußte ich dann alles vergessen. Bis zur Premiere … Dann rutsche ich in ein Regiekorsett hinein, in dem ich mich dann so verbiß und mir gar nichts mehr traute. Es war ein furchtbarer Prozeß. Auch bei der Premiere war ich noch nicht so. Nach zehn, zwölf Vorstellungen wurde dann die May zur Courage. [...]
Gaus: Erlauben
Sie mir eine letzte Frage. Sie sind inzwischen wieder erfolgreich mit
einem Brecht-Weill-Programm auf der Bühne des Berliner Ensembles
aufgetreten. Was bedeutete das vor allem für Sie, Frau May, Heimkehr
oder Triumph?
May: Es bedeutete Heimkehr, insoweit, daß ich sage, Heimkehr in ein Haus, in ein wunderbares Haus, in dem ich 30 Jahre ein wunderbares Publikum hatte. Aber es bedeutete nicht Heimkehr in ein Ensemble. Ein Ensemble vermisse ich noch heute.
May: Es bedeutete Heimkehr, insoweit, daß ich sage, Heimkehr in ein Haus, in ein wunderbares Haus, in dem ich 30 Jahre ein wunderbares Publikum hatte. Aber es bedeutete nicht Heimkehr in ein Ensemble. Ein Ensemble vermisse ich noch heute.
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