"[...] Es kommt noch hinzu, dass wir nicht das eigentliche Ereignis erinnern, sondern
genau genommen den letzten Abruf. Denn immer wenn wir eine Erinnerung abrufen,
wird diese erneut abgespeichert. Und das, was wir dann das nächste Mal erinnern,
ist das, was wir als Letztes abgespeichert haben. Das heißt, aktuelle Informationen,
auch aktuelle Gefühlslagen können sich immer auch einschleichen in unsere
ursprünglichen Erinnerungen. [...]
Unser Gehirn funktioniert immer selektiv, und die zunehmende Informationsflut verstärkt dabei eine vereinfachte emotionale
Verarbeitung auf Basis von Stereotypien und ganz einfachen Schwarz-Weiß-
Mustern. D.h. was man bisher beobachten kann, ist, dass ein Mehr an Informationen,
was ja auch durchaus zu einer differenzierteren Weltsicht führen kann, sehr häufig
das Gegenteil bewirkt, wenn nämlich unsere Gehirne überfordert werden mit der
Menge an Informationen, die sie in einem bestimmten Moment verarbeiten sollen.
Man kann also zu Recht fragen, ob eine so hohe Informationsdichte statt zu einem
differenzierteren Weltbild sehr häufig sogar ins Gegenteil führt, zu einer extrem
vereinfachten Weltwahrnehmung. [...] "
Die Biografie in den Neuronen. Das Ich und sein Gedächtnis
Von Martin Korte, SWR2 11.2.18
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