"{´[...] Der Frauenanteil in systemrelevanten Berufen liegt bei 75 Prozent. Noch höher ist er in systemrelevanten Berufen, die wenig angesehen sind und in denen niedrige Löhne gezahlt werden. Krankenpflegerinnen, Hilfen in Arztpraxen, Reinigungskräfte (das sind die, die nun dreimal am Tag durch die Büros laufen und alles desinfizieren), Verkäuferinnen in Supermärkten und Drogerien – laut der sogenannten Magnitude-Prestigeskala, basierend auf repräsentativen Befragungen durch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), liegt das Ansehen dieser Berufe unter dem Durchschnitt.
Berufsgruppen dagegen, die als Männerberufe klassifiziert werden (das heißt, in denen weniger als 30 Prozent Frauen arbeiten), machen nur einen kleinen Teil der systemrelevanten Jobs aus. Und sie genießen durchaus Ansehen, das gilt für IT-Berufe ebenso wie für die Beschäftigten der Luftfahrt. [...]
Offenbar gibt es eine Korrelation zwischen Frau und schlecht bezahlt, nicht anerkannt, nicht gesehen, unentbehrlich. [...] Paradoxerweise liegt gerade in der Unverzichtbarkeit ein Grund für die geringe Anerkennung. Die Arbeit, die Frauen leisten, ist so grundlegend, dass man sie nicht wahrnimmt. Die Böden wischen im Krankenhaus, Äpfelchen für Kita-Kinder schneiden, den Alten die Füße waschen – was soll daran besonders sein? Bricht nicht gerade eine Pandemie aus, erscheint es als selbstverständlich, dass diese Dinge erledigt sind. So wie die Sonne morgens auf- und abends wieder untergeht. Zumal viele der Tätigkeiten denen ähneln, die Frauen zu Hause auch unbezahlt und scheinbar nebenbei erledigen: putzen, kochen, waschen, spülen, kümmern, sorgen, pflegen. [...]" ("Plötzlich Elite", ZEIT 15/2020, S.3)
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