Freitag, 3. April 2020

Vom Umgang mit der Krise

Jeremy Farrar argumentiert: "Billionen für die Rettung der Wirtschaft, aber nur Millionen für die Exit-Option Medizin – es passt nicht zusammen. Wer auf der Suche nach dem Ausweg Kosten und Nutzen vergleicht, der müsste auf die globale Forschung setzen. Jeremy Farrar hat die Hoffnung, dass dabei schnell etwas herauskommt." (ZEIT 15/2020, S.19)
Clemens Fuest kündigt über die wirtschaftlichen Folgen des Lockdown an: 
"Die Menschen werden damit zehn Jahre zu tun haben. Sie werden nicht jeden Tag daran denken, aber die Schulden, die wir jetzt aufhäufen, die wirtschaftlichen Verluste werden wir wohl mindestens ein Jahrzehnt spüren."  (ZEIT 15/2020, S.20)

Beide sehen bei ihrer Betrachtung vom Klimawandel ab. Das ist in ihrem Zusammenhang völlig verständlich. 
Aber bei einem Blick auf das kommende Jahrzehnt zeigt: 
So wie unsere gegenwärtige Wirtschaft funktioniert, macht sie den Klimawandel mittelfristig unbeherrschbar. In einem Jahrzehnt mit dem Umbau anzufangen, wäre zu spät. Die - vergleichsweise kurze - Krise darf nicht die Kapazitäten zur Erhaltung alter Strukturen verschwenden, der schlagartige Wandel (die Disruption) muss genutzt werden, die Voraussetzungen für die Eindämmung der langfristigen Krise zu schaffen.

Zum größeren Zusammenhang:
Vergleich von Coronaepidemie und Klimawandel

Sonderbeispiel Indien:
Arundhati Roy: Durch das Tor des Schreckens  Zeit, 16/2020  8.4.2020
"Indiens Regierung macht das Riesenland dicht, die Armen werden heimatlos. [...]

Am 11. März erklärte die Weltgesundheitsorganisation Covid-19 zur Pandemie. Zwei Tage später, am 13. März, ließ das indische Gesundheitsministerium verlauten, es handele sich "nicht um einen gesundheitlichen Notstand". Am 19. März wandte sich dann schließlich der Premierminister, Narendra Modi, an die Nation. Viel Hausaufgaben hatte er nicht gemacht: Er guckte sich die Vorgehensweisen einfach bei Frankreich und Italien ab. Er erklärte uns die Notwendigkeit des "Social Distancing" (leicht nachvollziehbar für eine Gesellschaft, die derart vom Kastensystem durchdrungen ist) und rief eine eintägige "Ausgangssperre des Volkes" für den 22. März aus. [...] Er erwähnte nicht, dass Indien bis zu diesem Moment Schutzbekleidung und Beatmungsgeräte exportiert hatte, statt sie für das medizinische Personal und die Krankenhäuser des Landes zu behalten. [...]
Am 24. März um 20 Uhr trat Modi erneut im Fernsehen auf und gab bekannt, dass ab Mitternacht für ganz Indien ein Lockdown gelte. Die Märkte würden geschlossen. Öffentlicher und Individualverkehr würden untersagt. Wie Modi erklärte, traf er diese Entscheidung nicht nur als Premierminister, sondern auch als unser Familienältester. Wer sonst könnte ohne Rücksprache mit den Bundesstaaten, die sich mit den Folgen würden auseinandersetzen müssen, bestimmen, dass eine Nation von 1,38 Milliarden Menschen in den Lockdown gehen soll – ohne jegliche Vorbereitung und innerhalb von vier Stunden? Seine Methoden vermitteln entschieden den Eindruck, dass Indiens Premierminister die Bürger für eine feindliche Macht hält, die man überrumpeln und überraschen muss und der auf keinen Fall zu trauen ist."

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