"Der Markt schafft enormen Reichtum, aber keine Sicherheit. [...]
In Deutschland ging die Tarifbindung – zentraler Hebel zur Sicherung von Löhnen und Arbeitsbedingungen – in der Privatwirtschaft Westdeutschlands von 66 auf 41 Prozent zurück, im Osten von 48 auf 28 Prozent. In den Ländern der OECD-Gruppe, also in den Industrieländern, hat sich der gewerkschaftliche Organisationsgrad seit 1980 von 33 auf knapp 17 Prozent der Belegschaften fast halbiert. [...]
Doch „die Instabilität des Finanzsystems ist irreversibel“, erklärt Natixis-Ökonom Artus. Und dies schlägt auf die Realwirtschaft zurück, da sie über den Kreditkanal unauflöslich mit den Finanzmärkten verbunden ist.
Das Ergebnis: Auf der einen Seite schwimmen die Finanzmärkte in Geld, ebenso die Banken, was bei den Volkswirten der Commerzbank zu der Frage führt: „Wohin mit der Überschussliquidität?“ Auch die gesamtwirtschaftlichen Ersparnisse wachsen unaufhörlich. Dem gegenüber stehen Beschäftigte, die um ihre Jobs fürchten; Regierungen, deren Schulden auf Niveaus steigen, die sonst nur in Kriegen erreicht werden; Unternehmen, dieihre Zukunft bedroht sehen; und Finanzinvestoren, die für eine schmale Extra-Rendite immer größere Risiken eingehen müssen. Die Welt ist reich. Aber dieser Reichtum hängt davon ab, dass er sich vermehrt. Und diese Vermehrung ist – insbesondere angesichts der wachsenden Kapitalmassen – gefährdet. [...]
Seit 1980 ist der Steuersatz auf Unternehmensgewinne in der OECD im Durchschnitt von knapp 50 auf 27 Prozent gesunken. Mittels trickreichen Steuersätzen versuchen Standorte, multinationale Konzerne auf ihr Territorium zu locken. Eine Lösung wäre die Einführung einer globalen Mindeststeuer, die derzeit debattiert wird. Zum Rahmen gehört auch ein globaler Preis für CO2-Emissionen, der das Geschäft mit dem Klimaschutz auf eine verlässliche Grundlage stellen würde. Und schließlich müsste auch der globale Handelskrieg beendet werden, der über Zölle und Sanktionen dafür sorgt, dass die Unsicherheit des Marktes durch die Unsicherheit der Rahmenbedingungen erhöht wird. [...]
Das Foundational Economy Collective sieht die Corona-Pandemie als Chance zu einer wirtschaftspolitischen Neubesinnung und hat dazu einen Zehn-Punkte-Plan vorgelegt. Zunächst müsse die Bevölkerung beim Umbau einbezogen werden, etwa wie im Fall Barcelona, wo der strategische Entwicklungsplan PEMB alle Beteiligten an einen Tisch bringt. Prioritäten muss laut den Fundamentalökonomen der Grundversorgung in den Bereichen Gesundheit, Wohnen und Energie eingeräumt werden. „Regierungen müssen zusammen mit regulierten, nicht-gewinnorientierten Unternehmen Verantwortung übernehmen.“ Die Privatwirtschaft soll durch Einführung von Betriebslizenzen auf das Gemeinwohl orientiert werden. [...]
(https://www.fr.de/zukunft/storys/megatrends/kein-halt-nirgends-wie-die-oekonomische-unsicherheit-unser-leben-praegen-wird-90019882.html)
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