Die Mär von der sozialen Ungerechtigkeit lautet die Überschrift eines Artikels der FAZ vom 30.5.18
Gespannt lese ich nach, ob die Behauptung, sozialer Status werde in Europa weiterhin über mehrere Generationen vererbt, nicht mehr gelte.
Dann erfahre ich, es geht um Bildungsgerechtigkeit. Und was ist dazu herausgefunden worden?
Lesen Sie mal nach.
Die Überschrift Die Mär von der sozialen Ungerechtigkeit erweist sich als Fake News. Denn es geht nur darum, ob Details einer speziellen Auswertung einer PISA-Studie korrekt vorgenommen wurden.
War es Ungeschick bei der Verkürzung? Sollte auf Kosten von Missverständlichkeit Interesse geweckt werden? Oder soll absichtlich der Eindruck erweckt werden, so weit sei es es mit sozialer Ungerechtigkeit in Deutschland gar nicht her?
Zugegeben: Die Überschrift "Auslegung der PISA-Studie ist strittig" hätte mich nicht zum Nachlesen angeregt.
Mit fällt bei Die Mär von der sozialen Ungerechtigkeit H. M. Enzensbergers Aufsatz von 1962 über die FAZ ein: "Journalismus als Eiertanz"
Meine verkürzte Wiedergabe des Inhalts: Die FAZ bezieht alles auf Deutschland und lässt Deutschland immer möglichst gut aussehen.
Ich bin erstaunt, wie gut Enzensbergers Aufsatz (natürlich abgesehen vom konkreten Anlass) noch nach gut 55 Jahren auf die Methode der FAZ passt. Dort heißt es unter anderem:
"[...] Die Formulierung ist so unsachlich, daß sie auf eine Irreführung hinausläuft. (S.33) [...] "NATO-Kommando Ostsee vom Parlament gebilligt." Das ist die Nachricht, um die es geht, und in dieser oder ähnlicher Form hat die ganze Weltpresse darüber berichtet. Für die Redaktion der Frankfurter Allgemeinen ist sie nichts weiter als ein Vorwand dafür, dem eigenen Land und letzten Endes sich selber, auf die Schulter zu klopfen. [...] Ein Blatt, das derart die Sache selbst in den Hintergrund schiebt, um aus ihren Begleitumständen politisches Kapital zu schlagen, muß mit solchen Kapital nicht eben reichlich versehen sein." (S.34) (H. M. Enzensberger: "Journalismus als Eiertanz. Beschreibung einer Allgemeinen Zeitung für Deutschland, zitiert nach Einzelheiten I, edition suhrkamp 63, Frankfurt 1973, Hervorhebungen von Fontanefan)
Wenn man es ins Positive wenden will, darf man sagen:
Diese traditionsreiche Zeitung ist sich selbst treu geblieben.
Freilich nicht der kritischen Haltung ihrer Vorgängerin, der Frankfurter Zeitung, die diese von der Weimarer Republik bis in die Zeit des Nationalsozialismus hinüber gerettet hat. Wohl aber der Selbstzufriedenheit der Adenauerära, die noch von keinerlei Selbstkritik angekränkelt war.
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