Dienstag, 1. Mai 2018

Der tägliche Wahnsinn für junge Wissenschaftler

https://soziologieblog.hypotheses.org/11028

"[...] Prekariat bedeutet nicht nur, zwischen zwei Befristungen (oder sobald das Ende in Sicht ist, das ist subjektiv immer ein bisschen anders) kurz nicht zu wissen, wie es weiter geht, und dementsprechend verunsichert zu sein. Das Prekariat verändert dein gesamtes Arbeiten, immer. Denn die Hochschule ist ein hochkompetitives Feld, und das Ende der Vertragszeit ist der Anfang der Leistungsschau. Das Bewerbungsverfahren heißt: Karten auf den Tisch, und zwar nicht im Sinne von „Wer hat die meiste Ahnung vom Fach“, sondern „Wer hat die meisten Vorträge und Publikationen in wie prestigereichen Zeitschriften und Orten“. Und hier schlägt Quantität im Fall die Qualität, und zwar im Sinne davon, dass letztlich nur ein Ergebnis zählt. Wichtig ist, dass du eins hast, und nicht, wie es wirklich aussieht. [...]
Weil Institutionen wie die Universität dennoch immer Raum für dialektische Spannungen lassen und somit oft das Gegenteil des Beabsichtigten geschieht, noch eine lustige Anekdote zum Schluss: Ein mir gut bekannter, höchst kritischer Dozent meines Instituts hat seine Dissertation über „die lernende Organisation“ im Bildungssektor geschrieben, aber aus der Perspektive der kritischen Erwachsenenbildung – mit seinem persönlichen Fazit, dass es so etwas eigentlich gar nicht geben kann und das eine neoliberale Erfindung ist. Er bewarb sich nach der Dissertation bei einer inzwischen emeritierten Professorin in Innsbruck, die sehr viele EU-finanzierte Projekte im Bereich Life Long Learning betreute, also genau jene Bildungsangebote, die seiner Meinung nach eine Zumutung für viele Menschen darstellen. Doch sie las nur den Titel seiner Arbeit und fand, er sei der richtige Mann für den Job. Er bekam einen vier Jahres-Vertrag und sie emeritierte wenig später. Der Fachbereich schlug danach eine etwas andere Richtung ein. Hegel hätte seine Freude."

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