"(Anti)Feminismus" der Reihe Aus Politik und Zeitgeschichte der bpb.
Sie erheben keinen Anspruch darauf, in sich zureichend informativ zu sein, vielmehr sollen sie zur Lektüre diese Heftes anregen.
Barbara Holland-Cunz: Was ihr zusteht. Kurze Geschichte des Feminismus
"Das Doppelmotiv – Anspruch auf Würde und Kritik der Entwürdigung – lässt sich durch alle Politikfelder, Zeiten und Kontinente hindurch nachzeichnen und soll hier, einer knappen Chronologie der Forderungen (Wissen/Bildung, Arbeit/Lohn, politische Teilhabe, Gewaltfreiheit, sexuelle (u.a.) Selbstbestimmung) folgend, vom 18. zum 21. Jahrhundert nachgezeichnet werden."
"Am prägnantesten hat das Doppelmotiv in mehr als 200 Jahren Simone de Beauvoir (1908–1986) analysiert.[...] Während sich Jungen und Männer die Welt als gemeinsame Heimat gestaltend aneignen, werden Mädchen und Frauen auf das Gefallen-Sollen und ein von Anderen abgeleitetes, dumpfes Leben verwiesen. Den existenziellen Konflikt, den alle menschlichen Wesen in sich verspüren, das Hin-und-Her-Gerissensein zwischen Mut und Lust zur Freiheit einerseits, Angst und Flucht vor ihr und ihren anstrengenden Herausforderungen andererseits, sollen die Einen zur Seite des Muts, die Anderen zur Seite der Angst hin auflösen. [...]
Dass die Analyse der Geschlechterherrschaft als Ausgangspunkt oder Modell von Herrschaft für die Glaubwürdigkeit des Feminismus prekär sein kann, haben Theoretikerinnen wie Audre Lorde (1934–1992) und bell hooks (Gloria Jean Watkins, *1952) früh verdeutlicht. [...] Sowohl hooks als auch Lorde befassen sich zudem mit der Analyse der Klassenlage als drittem zentralen Herrschaftsverhältnis; "gender, race, and class" lautet dem entsprechend eine wichtige Analyseformel."
bell hooks:
Ain't I a Woman?: Black women and feminism is a 1981 book by bell hooks:
"she argues that the stereotypes that were set during slavery still affect black women today. She argued that slavery allowed white society to stereotype white women as the pure goddess virgin and move black women to the seductive whore stereotype formerly placed on all women, thus justifying the devaluation of black femininity and rape of black women. The work which black women have been forced to perform, either in slavery or in a discriminatory workplace, that would be non-gender conforming for white women has been used against black women as a proof of their emasculating behaviour. bell hooks argues that black nationalism was largely a patriarchal and misogynist movement, seeking to overcome racial divisions by strengthening sexist ones, and that it readily latched onto the idea of the emasculating black matriarch proposed by Daniel Patrick Moynihan, whose theories bell hooks often criticizes." (englische Wikipedia)
Barbara Holland-Cunz: Was ihr zusteht. Kurze Geschichte des Feminismus (Fortsetzung)
Recht auf Wissen und Bildung
Recht auf politische Teilhabe
"[...] Patriarchale Herrschaft meint hier, dass das vornehmste demokratische Recht aus Machtanmaßung vorenthalten wird und Frauen lange nicht laut genug dafür streiten.Keine andere deutschsprachige Theoretikerin des 19. Jahrhunderts hat überzeugender für das Frauenstimmrecht argumentiert als Hedwig Dohm (1831–1919).[9] Auch sie zeigt sich als scharfe Kritikerin des verlogenen, eitlen, ausbeuterischen, sexistischen männlichen und des heuchlerischen eigenen Geschlechts und damit als eine Meisterin des komplexen doppelten Motivs patriarchaler Herrschaftsanalyse."
Freiheit von Gewalt
"[...] Die Kritik der Ehe als Ort der Entmündigung und Körperverletzung gehört im Feminismus des 19. Jahrhunderts zu den bekannten Topoi; Frauen empören sich über ihre Situation als Eigentum von Vätern und Ehemännern. [...] Weltweit bekämpfen Frauen-NGOs heute auch Genitalverstümmelung, sexualisierte Gewalt gegen Mädchen und Jungen, (Zwangs-)Prostitution, Frauenmorde als "Ehrverbrechen", Totalverhüllung, Sextourismus, Frauenhandel, Versklavung. [...]Im Themenfeld Gewalt ist das zentrale Doppelmotiv nicht gültig; Zustimmung ist suspendiert, Empörung leitet Theorie und Politik seit 230 Jahren an."
"Recht auf sexuelle, reproduktive und geschlechtliche Selbstbestimmung
Für unkonventionelle Freiheiten in Liebe, Sexualität und Mutterschaft treten vor der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nur wenige Feministinnen offen ein, und kaum eine engagiert sich so unbeugsam wie die Sexualreformerin, Pazifistin und Radikale Helene Stöcker (1869–1943). Für Stöcker gehört es zu den Rechten, ja gar den Pflichten von Frauen, ihre Freiheit in Liebe, Sexualität und Mutterschaft zu realisieren und sich weder an bürgerlichen noch an gemäßigt-feministischen Konventionen zu orientieren. [...]Mit Ausnahme de Beauvoirs erscheint die radikal verstandene Freiheit zu liebender und sexueller Selbstbestimmung erst wieder im Feminismus der Neuen Frauenbewegung. Betty Friedan (1921–2006) geißelt die Mystifizierung von Weiblichkeit, Shulamith Firestone (1945–2012) ruft zu einer kulturellen Revolution auf, Gena Corea (*1946) benennt die Gefahren der Gen- und Reproduktionstechnologien, Mary Daly (1928–2010) plädiert für lesbischen Separatismus, Butler analysiert die gesellschaftlichen Konstruktionsbedingungen von Geschlecht und Begehren. In diesem Themenfeld meint patriarchale Herrschaft heute die systemische Verweigerung frei gewählter Vorstellungen über die persönliche Identität und Lebensführung sowie die "sanfte Gewalt" zugewiesener Biografien."
"Feminismus und Antifeminismus – nicht erst heute
Feministische Ansprüche haben sich strukturell verändert, aber noch längst nicht erledigt. So auffällig der Wandel erscheinen mag, so bedrückend sind die Kontinuitäten. [...]Das zeitgenössische Erstarken des "Antigenderismus" im Rechtspopulismus, [...] Doch Antifeminismus und Rückschläge sind in der Geschichte der Frauenfrage nichts Neues. In regelmäßigen Abständen werden Backlashes beklagt, der Tod des Feminismus oder seine vollständige Neuerfindung ausgerufen. [...] Frauen wird suggeriert, dass ihr Fortschritt eigentlich einsam und unglücklich macht. Faludi deutet diese Umdeutung so: "Es handelt sich um einen Präventivschlag, der die Frauen weit vor der Ziellinie stoppt."
Der Antifeminismus gehört zum Feminismus gleichsam als andere Seite dazu. Die Angriffe von außen provozieren allerdings nach innen nicht selten Forderungen nach einer kritiklosen Vergemeinschaftung – eine Art feministische Burgmentalität, in der politische und politiktheoretische Debatten zum Schweigen gebracht werden. An die Stelle einer radikalen oder liberalen Allianzpolitik, die im Streit die Chance für Vielfalt und Stärke sieht, tritt dann Vereinheitlichung, die nachhaltig schwächt; statt gelebter Solidarität entstehen repressive Pseudosolidarisierungen. [...]
Sehr viel ließe sich von Lorde oder hooks lernen, die ihre Kritik am weißen Feminismus mit dem Plädoyer für einen würdevollen, schmerzvoll-offenen Austausch verbinden. Audre Lorde schreibt: "Nicht der Ärger anderer Frauen wird uns zerstören, sondern unsere Weigerung, anzuhalten, auf seinen Rhythmus zu hören, in ihn einzutauchen, um aus ihm zu lernen …". Denn es muss auch im Feminismus gelten, dass der andern abgegolten wird, was ihr zusteht."
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