Freitag, 29. Juni 2018

Über den arabischen Buchmarkt

Interview mit Yasmina Jraissati, Agentin für arabische Literatur:
 "[...] Welche Trends gibt es in der arabischen Literatur?
Vor ein paar Jahren ging es viel um Soziales, um die Nachkriegsjahre etwa im Libanon. Oder um die Absurdität von autoritären Regimen, darüber wie sie die Leute auf den unteren Stufen der sozialen Leiter niederdrücken. Youssef Fadel, ein marokkanischer Autor, schreibt beispielsweise viel darüber, seine Bücher haben immer diese dunkle Atmosphäre. Im Moment sind auch Dystopien sehr gefragt, aus politischen Gründen, denke ich. Die Absurdität von Gewalt kommt in Dystopien zum Ausdruck. Ibrahim Nasrallah, der Gewinner des diesjährigen Arab Booker Prize, hat so ein Buch geschrieben, an der Grenze zur Science Fiction. Der Ägypter Youssef Rakha ist in diesem Sinn auch interessant, er experimentiert viel, seine Literatur ist schwierig. Aber er ist ein Trendsetter, jedenfalls ein potentieller. Er gehört zur Beat Generation in ihrer Kairo-Version.
In Deutschland sind dem Buchmarkt in den vergangenen Jahren Millionen Leser verloren gegangen. Man mutmaßt, es habe etwas mit der Digitalisierung zu tun, die die Aufmerksamkeit von dem weglockt, was man in Amerika als „deep reading“ bezeichnet, dem selbstvergessenen Lesen längerer Texte. Bemerken Sie ähnliches in der arabischen Welt?
Natürlich fragt man sich auch hier, ob die Leute lesen oder nicht. Und meine Antwort war immer: Sie lesen, aber man sieht es nicht. Hier war die Herausforderung immer, die Bücher physisch verfügbar zu machen. Es gibt ja gar kein Marketing, aber dass wir trotzdem Bücher verkaufen, zeigt doch, dass die Leute nach ihnen suchen. Wenn die Verleger anders arbeiten würden, könnten sie vielleicht noch mehr verkaufen. Aber das ist leichter gesagt als getan. Die Herausforderungen sind andere: Kriege, Währungsschwankungen, Probleme bei der Vergabe von Visa, Zensur natürlich. Es gibt große Kaufkraftunterschiede zwischen den arabischen Ländern.
Wie wirkt sich das aus?
Im Libanon kann man Bücher für zwölf Dollar verkaufen, das ist in Ägypten unmöglich. Viel zu teuer. Es gibt schon Leute, die sich das leisten können, aber sie sind eine kleine Minderheit. Deswegen gibt es viele Raubkopien in Ägypten, die Bücher kosten dann ein oder zwei Dollar. Das Thema sorgt für viel Ärger, zu Recht. Aber für mich ist das auch ein gutes Zeichen. Es heißt, dass es Leser und Potential gibt. Und dass wir versuchen müssen, diesen Markt zu erreichen." (FAZ 28.6.18)

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