Die Uni [Mainz] räumt Boehringer Ingelheim die Hoheit über Forschungsagenda und Personal ein. [...]
Dabei sind Kooperationen nicht per se anrüchig, sie sind sogar gewünscht. Schließlich sollen die Universitäten als Wissensgeneratoren die Gesellschaft – und somit auch die Wirtschaft – antreiben. So will es die Öffentlichkeit, so will es die Politik. In der Grenzregion um Aachen etwa sorgte auch die RWTH dafür, dass aus dem ehemaligen Braunkohlerevier ein Hochtechnologie-Standort wurde. [...]
Obwohl das Promotionsrecht ausschließlich bei den Universitäten liegt, schreiben viele Firmen heute Doktorandenstellen aus. Ein Beleg dafür, was viele Industriepartner in den Hochschulen sehen: ihre Dienstleister. Besonders umtriebig ist auch hier die Automobilindustrie. Volkswagen etwa beschäftigt derzeit 330 Doktoranden. Ihre Dissertationen werden vom Vorgesetzten geprüft und von Hausjuristen. Dann werden sie veröffentlicht. Das "ausschließliche Nutzungsrecht" an den Ergebnissen hält Volkswagen. [...]" ("Mit freundlicher Unterstützung" ZEIT 8.3.18)
Dem Artikel entnehme ich:
Stiftungsprofessuren werden nur für fünf Jahre von den Stiftern finanziert. Danach übernimmt die Finanzierung die Universität. Bei einem Lehrstuhl für Internationale Politik oder Botanik scheint das nur angemessen.
Aber gilt das auch für einen "Lehrstuhl für Innovative Verstärkungsmethoden mit Befestigungen", der vom Dübelhersteller Fischer bezahlt wird?
Der Artikel scheint mir geeignet, sich ein differenziertes Bild dazu zu machen.
"[...] Christian Kreiß ärgert sich über das intransparente Gebaren vieler Hochschulen. Kreiß, ein schmaler, leiser Mann Mitte 50, bittet in sein Kleinstadt-Reihenhaus westlich von München. Vor ihm auf dem Wohnzimmertisch liegt sein Buch Gekaufte Forschung. Darin argumentiert er, der Hype um Drittmittel habe die Unis vom rechten Pfad der Erkenntnis abgebracht. Seitdem gilt Kreiß, selbst BWL-Professor an der Hochschule Aalen, als der deutsche Wissenschaftler, der am konsequentesten gegen die deutsche Wissenschaft schießt.
Die unzähligen Verflechtungen zwischen Universitäten und Industrie regen ihn nicht deshalb auf, weil Wissenschaftler sich korrumpieren ließen, das ist ihm wichtig zu betonen. Sondern weil jene Themen, für die sich die Industrie interessiere, wie zum Beispiel der Verbrennungsmotor, stark beforscht würden. Alternativen, etwa ökologisch nachhaltige Verkehrskonzepte, dagegen nicht. "Glauben Sie, dass VW so etwas finanziert?", fragt Kreiß. An den Hochschulen entwickle sich eine "von der Geld-Aristokratie finanzierte Wissenschaft".[...]" ("Mit freundlicher Unterstützung" ZEIT 8.3.18 - Hervorhebungen von Fontanefan)
Christian Kreiß:
"[...] Es gibt in der Tat eine Unmenge von Kooperationen an Hochschul-Instituten und -Laboren mit den großen Autoherstellern. Entsprechende Forschungseinrichtungen in Kooperation mit BUND, Greenpeace, attac und ähnlichen sucht man vergeblich. Die Ergebnisse der industriefinanzierten Forschung fließen über ständige Studienpublikationen systematisch in die öffentliche Meinung ein und erzeugen dadurch eine gewisse wohlwollende Grundhaltung gegenüber der Automobilbranche.
Drittens: Geheimhalten
Christian Kreiß:
"[...] Es gibt in der Tat eine Unmenge von Kooperationen an Hochschul-Instituten und -Laboren mit den großen Autoherstellern. Entsprechende Forschungseinrichtungen in Kooperation mit BUND, Greenpeace, attac und ähnlichen sucht man vergeblich. Die Ergebnisse der industriefinanzierten Forschung fließen über ständige Studienpublikationen systematisch in die öffentliche Meinung ein und erzeugen dadurch eine gewisse wohlwollende Grundhaltung gegenüber der Automobilbranche.
Drittens: Geheimhalten
Am stärksten ist die Wirkung in der Öffentlichkeit, wenn nicht oder kaum bekannt ist, dass die WissenschaftlerInnen von der Industrie bezahlt werden, wenn sie möglichst unabhängig in der Öffentlichkeit auftreten, frei nach dem Witz von Otto Waalkes: „Die Wissenschaft hat festgestellt, dass Rauchen doch nicht schädlich ist – gezeichnet Dr. Marlboro.“ Nach diesem Motto wurde versucht, die einseitigen Forschungsergebnisse der EUGT zu veröffentlichen. Es sollte möglichst nicht bekannt werden, dass dahinter drei große Autokonzerne stehen. Allein schon bei der Namensfindung der EUGT wurde dies berücksichtigt. Der ursprünglich geplante, noch beschönigendere Name „Europäisches Institut für Umwelt und Gesundheitsforschung im Transportsektor“ wurde vom zuständigen Amtsgericht wegen Täuschungsgefahr abgelehnt. [...]" (Kreiß: Gekaufte Wissenschaft, 2018)
sieh auch: Fachkräftemangel
sieh auch: Fachkräftemangel
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen