"Der Journalist Li Zehua wurde verhaftet, weil er über die Wahrheit von Wuhan berichten wollte. Das macht tieftraurig, spendet aber auch Hoffnung. Denn solche jungen Männer und Frauen braucht China. [...]
Nach dem Ausbruch des Coronavirus in Wuhan eilte er ins Zentrum des Geschehens. Li ist der dritte unabhängige Reporter nach Fang Bin und Chen Qiushi, der in Wuhan verhaftet wurde.
Bald nach seiner Ankunft in Wuhan hatte Li eine Online-Stellenanzeige für Leichenträger entdeckt: „Das Krematorium von Wuchang in Wuhan benötigt heute Nacht zwanzig zusätzliche Leichenträger. Gesucht werden Personen beiderlei Geschlechts im Alter von sechzehn bis fünfzig Jahren, die Kraft und Mut besitzen und keine Angst vor Gespenstern haben. Arbeitszeit: 0 Uhr bis 4 Uhr, mit kleinen Pausen. Honorar: 4000 Yuan und eine Mahlzeit. Anmeldung: heute Abend vor 23 Uhr an der U-Bahn-Station Xianyang Jia Wan der Linie 2.“
Live-Schaltung vier Stunden vor Verhaftung
Und so kam Li Zehua in dieser Nacht ins Krematorium Qingshan. Dort sagte ihm der zuständige Angestellte, der Job als Leichenträger sei mittlerweile im Kurs gefallen: „Kost und Logis, fünfhundert Yuan für die erste Leiche, zweihundert für die zweite, weitere zweihundert für die dritte; wenn Sie vier Leichen schaffen, bekommen Sie 1100 Yuan.“
Li Zehua machte heimlich Aufnahmen von einer langen Reihe von dröhnenden Öfen, die damals bereits länger als einen Monat Tag und Nacht in Betrieb waren. Li Zehua sagte: Innerhalb von 38 Tagen wurde die offizielle Zahl von verstorbenen Lungenpatienten in Wuhan mit durchschnittlich vierzig pro Tag angegeben. Es waren aber 74 Krematoriumsöfen in Betrieb, das müsste auch bei zehnmal mehr Toten reichen. Wieso brauchte man dann aber noch Überstunden und zusätzliche Arbeitskräfte?
[...]
Am 26.Februar 2020 fuhr Li Zehua auf Recherche in Wuhan zu einem scharf bewachten französisch-chinesischen Labor. Er blieb in seinem Wagen, wurde aber trotzdem von der Staatssicherheit bemerkt und verfolgt. Während der Verfolgungsjagd konnte er noch ungefähr dreißig Sekunden lang filmen, es ist eine hollywoodreife Szene geworden. Er schaffte es schließlich nach Hause, verbarrikadierte die Tür und installierte eine Live-Schaltung mit seinem Computer. Dann begannen vier Stunden, bevor er verhaftet wurde, in denen viele Menschen das Schicksal Li Zehuas live verfolgten, nicht nur die Staatssicherheit in China vor seiner Tür, sondern auch Zuschauer an ihren Handys und Computern, so zum Beispiel ich, der Exilschriftsteller Liao Yiwu in Berlin.
[...] Die Hoffnung der Zukunft ruht auf solchen Menschen. Ich als Schriftsteller darf solche kleinen Tröpfchen Hoffnung notieren, das ist eine große Ehre. [...]"
(Wieso gibt’s Überstunden im Krematorium? von LIAO YIWU FAZ, 6.3.2020 )
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