"Ökonomen, Banker und Politiker wollen Münzen und Scheine zurückdrängen. Zeit, sich zu wehren."
Von Lisa Nienhaus und Jens Tönnesmann 21. Juni 2017 DIE ZEIT Nr. 26/2017, 22. Juni 2017
Auf diese Weise sind die schwedischen Banken die treibende Kraft bei der Verdrängung des Bargelds aus ihrem Land geworden. Auf der einen Seite erfinden sie neue Möglichkeiten, ohne Geld zu bezahlen. Auf der anderen Seite reduzieren sie das Bargeldangebot. Geldautomaten verschwinden, Filialen haben keine Scheine mehr und nehmen auch keine mehr an.
So sparen die Banken jene Kosten, die Bargeld verursacht: Jeder Geldtransporter muss gepanzert sein, jeder Geldautomat nachgefüllt werden. Das ist auf der ganzen Welt teuer, in Schweden aber besonders. Hier sind die Wege weit, das Land ist dünn besiedelt. Außerdem müssen hier die Banken den größten Teil der Kosten für die Geldversorgung tragen. Während in vielen Ländern die Notenbanken einen engen Service anbieten, hat die Riksbank vor etwas mehr als zehn Jahren beschlossen, es weitgehend den privaten Banken zu überlassen, das Land mit Bargeld zu versorgen. [...]
Zwar ist die Zahl der Überfälle auf Banken und Geldtransporter in Schweden in den vergangenen zehn Jahren deutlich gesunken, von mehr als 200 im Jahr 2008 auf unter 40 im Jahr 2015. Zeitgleich vervielfachten sich allerdings betrügerische Zahlungen mit gestohlenen Karten von knapp unter 20.000 auf fast 70.000 im Jahr.
Eriksson ist außerdem überzeugt, dass es ohne Bargeld für die Bankkunden teurer würde. Die Banken könnten leicht höhere Gebühren und bei Bedarf Negativzinsen durchsetzen. Und sie könnten nachvollziehen und kontrollieren, wie, wo und wofür die Menschen ihr Geld ausgeben. "Wir leben in einer Zeit, in der Hackerangriffe Alltag sind", sagt Eriksson. "Um unser Land lahmzulegen, würde es in einer Zukunft ohne Bargeld ausreichen, den Zugang zum Internet oder die Stromversorgung zu stören." Das Datenschutzargument: Es ist ein wichtiges in der Debatte.
Inzwischen hat Eriksson Verbündete gefunden. Es könnte allerdings zu spät sein. Die Gesellschaft und der Alltag in Schweden haben sich dem Druck der Banken angepasst. Und ist die Bargeldversorgung einmal gestört, dann ist es schwierig, sie wieder herzustellen.
Zur Vorschau auf eine Welt ohne Münzen und Scheine gehört auch ein Blick dorthin, wo die Verhältnisse weniger stabil sind als in Stockholm. [...]
Dimitrios Kampanaros [...] schwört auf Bargeld, seit es ihm vor zwei Jahren den Kopf gerettet hat. Damals, auf dem Höhepunkt der Krise, führte Griechenland Kapitalkontrollen ein, zeitweise konnten die Griechen kein Geld mehr abheben; auch Überweisungen waren schwierig. "Ich muss jeden Monat Rechnungen über 80.000 Euro bezahlen", sagt Kampanaros. Aber er hatte das Unglück kommen sehen und Bargeld in ein Schließfach gelegt. Damit konnte er seine Mitarbeiter bezahlen und Lebensmittel kaufen. So überbrückte er die Zeit, bis sich die Lage beruhigt hatte.
Bargeld ist also auch eine Möglichkeit, in schwierigen Zeiten sein Eigentum zu bewahren. In der Diskussion derer, die das Bargeld loswerden wollen, spielt das bislang keine große Rolle. Vielleicht sind sie zu optimistisch, dass alles gut geht. Kampanaros jedenfalls hat sein Schließfach wieder aufgefüllt. Soll die nächste Krise doch kommen, er ist gewappnet."
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