"Gemeint war das als radikale Institutionskritik: Die gutbürgerliche Documenta sollte entwurzelt, ins wahre Leben gestoßen und damit dem liebenden Klammergriff des Systems entwunden werden. Doch hat sich die Großschau mit ihrer Zweistaatenlösung vor allem selbst erschöpft, das ist jetzt nicht nur in Athen, sondern seit dem Wochenende auch in Kassel zu sehen. Vieles, was anfangs noch überraschte, wird in Kassel bloß als zweiter Aufguss präsentiert. In der lieblosen Präsentation spiegelt sich die Langweile, die Szymczyk von Anfang an für den Gründungsort der Documenta empfand.
Ihren Ursitz, das Fridericianum, hat er gleich ganz aus der Hand gegeben. Hier macht sich nun eine Athener Sammlung breit, die des Nationalmuseums für Gegenwartskunst, und zeigt schönste Belanglosigkeiten, viele Werke mit Stacheldraht, Nationalfahnen aus Glas, natürlich zerbrochen, das alles irre konventionell in der Darbietung. Künstler von heute tauchen nur am Rande auf, dafür gibt es jede Menge griechische Veteranen. [...]
Wie anregend, wie reich eine neue Bescheidenheit sein könnte, lässt sich gerade in Münster besichtigen, wo alle zehn Jahre die Skulptur Projekte den Stadtraum bevölkern, geleitet von Kasper König. Ähnlich wie in Kassel, wo sich die Ausstellung auf rund 30 Museen, Läden, Theater verstreut, kennt auch Münster keinen zentralen Austragungsort. Beide setzen gleichermaßen in ihrer Künstlerauswahl auf Internationalität. Während jedoch auf der Documenta fast die Hälfte der Eingeladenen bereits tot ist, weicht in Münster die sentimentale Rückschau einer Neugier auf das Hier und Jetzt." (Hanno Rauterberg)
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