Donnerstag, 28. September 2017

Fließendes Geld

"Mitten in der dramatischen Weltwirtschaftskrise 1929 hat der Bürgermeister von Wörgl in Tirol fließendes Geld eingeführt – eine Stadtwährung. Das hat die Arbeitslosigkeit praktisch beendet und Wörgl mitten in der Krise eine vorbildliche Infrastruktur verschafft.
Das Experiment war so erfolgreich, dass es viele Nachahmer fand, sogar jenseits des Atlantiks. Der Ministerpräsident Frankreichs Édouard Daladier besuchte den Ort. Die Finanzexperten allerdings erklärten die Stadtwährung für groben Unfug. Die österreichische Zentralbank setzte bei der Regierung in Wien ein Verbot durch. Der Bürgermeister ging vor Gericht, verlor und wurde entlassen. Wörgl kehrte zurück zur Landeswährung, zu hoher Arbeitslosigkeit und schrecklichem sozialen Elend.
Die Kompetenz der Finanzexperten ist seitdem nicht gewachsen. Ein Träger des Wirtschaftsnobelpreises wurde neulich gefragt, was an den schönen Modellen der Ökonomen falsch sei, wo doch die Welt von einer Krise in die nächste schlittere. „Die Modelle sind richtig, die Wirklichkeit ist falsch“, hat er geantwortet. Unser Pech: Wir leben und arbeiten in dieser falschen Wirklichkeit.
„Der Krieg ist eine zu ernste Angelegenheit, um sie den Generälen zu überlassen“, hat Georges Clemenceau gesagt. Wir können heute ergänzen: „Unsere Finanzordnung ist eine zu ernste Angelegenheit, um sie den Ökonomen zu überlassen“. Unsere alten Volksweisheiten sind vernünftiger als aller Expertenrat: „Der Rubel muss rollen“ oder „Thaler, Thaler, du musst wandern von der einen Hand zur andern“."

Wolfgang Berger: Durch fließendes Geld raus aus der Zinsknechtschaft

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