Tim Engartner: Die Gefahren der Privatisierung (Manuskript)
Sendung zum Nachhören
"[...] wir haben vor allen Dingen – das ist ein
wunder Punkt, den Sie markieren – seit dem Jahr 2016 auf Bundesebene die
Schuldenbremse, die ab 2020 auch auf Landesebene greifen soll. Das ist der Kern,
der Ausgangspunkt für die Privatisierungswelle, denn der Staat ist zur
Handlungsunfähigkeit verdammt. Ich würde von einer Selbstentmachtung des
Staates sprechen. Er erhält nicht mehr ausreichend Steuern; [...]
Die Neujustierung der Steuer- und Abgabenarchitektur müsste auf der politischen
Agenda ganz weit oben stehen, wenn man denn der Autobahnprivatisierung, der
Bahnprivatisierung, der Postprivatisierung, der Telekomprivatisierung entgegentreten
wollte. Wir haben bei den Körperschaftssteuern – nehmen wir die Ära Kohl zum
Maßstab – ein Absenken von 40%, über 25% auf jetzt 15% erlebt. [...]
In der Tat wäre eine
Neujustierung der Steuer- und Abgabenarchitektur der wirksamste Mechanismus, der
wirksamste Hebel, um der Privatisierungslogik entgegenzutreten. [...]
Da kann man sehen, dass sich die Müllgebühren
innerhalb der letzten 20 Jahre unter den Privaten mehr als verdoppelt haben.[...]
es gibt in der Ökonomie – diese Theorie wird von konservativen
Ökonomen gleichermaßen geteilt – die Theorie der meritorischen Güter. Das sind die
7
sogenannten verdienstvollen Güter: Theater, Museen, Schwimmbäder [...] Die haben einen Wert an sich, der sich nicht in Heller und Pfennig
bemessen lässt. Ich glaube, wir werden in einer Gesellschaft leben, die nur noch den
Preis, aber von nichts mehr den Wert kennt. [...]
Die Privatisierung führt gerade im Bereich Bildung dazu, dass
eine Ideologisierung stattfinden könnte? [...]
Es gab
lange Zeit die Bestrebungen, Lehrstühle für Islamwissenschaften abzuschaffen. Nach
09/11 – nach den Anschlägen von New York – gab es einen unglaublichen Run auf
Islamwissenschaftlerinnen und Islamwissenschaftler. Da hatte man auf einmal einen
eklatanten Bedarf. Da Bildung mitunter einen Wert hat, der sich nicht in Heller und
Pfennig beziffern lässt, [...]
Alle beklagen, dass das
Erstellen von Reisepässen, Führerscheinen und Personalausweisen in den letzten
Jahren so viel teurer geworden ist, was daran liegt, dass unter Hans Eichel die
Bundesdruckerei privatisiert worden und an Apax, einen Finanzinvestor, verkauft
worden ist, der dann in finanzielle Schieflage geraten ist und dann sehr kostspielig
zurückgekauft werden musste. Das hat die Gebühren explodieren lassen. [...]
Ich hoffe, dass die
Privatisierung der Bundesautobahnen – im Land der Autofahrer – zum
Wahlkampfthema erklärt wird. Denn das, was hier in den vergangenen Wochen und
Monaten an Desinformationspolitik betrieben wurde, ist wirklich atemberaubend. " (Die Gefahren der Privatisierung)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen