Wie von Verteidigern der Fischerschen Thesen in der Diskussion über "Griff nach der Weltmacht" schon damals angedeutet wurde, hat die Öffnung der Akten anderer europäischer Staaten eine klarere Sicht auf die Kriegsbereitschaft in diesen Staaten möglich gemacht. Christopher Clarks hat in "Die Schlafwandler"* den kollektiven Weg in den Krieg dargestellt. Den Versuch, daraus eine Unschuldsthese für die deutsche Führung von 1914 zu basteln, wurde zu Recht zurückgewiesen. Im Einzelnen wird die wissenschaftliche Diskussion weitere Differenzierungen erbringen.
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MeldungenvomAugust 1914
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Bemerkenswert erscheint mir in diesem Kontext ein Artikel in der Frankfurter Rundschau vom 2.8.14 (publiziert wurde er im Rahmen der sehr verdienstvollen Artikelserie der FR zum Ersten Weltkrieg):"Das Begehren nach dem Blutopfer" von Christian Thomas.
Darin schreibt er über das Augusterlebnis 1914 "von einer ungeteilten kollektiven Euphorie kann keine Rede sein", trägt dann aber eine Menge Belege für die Bereitschaft, sich für 'Volk und Vaterland' zu opfern, zusammen. Dazu gehört, dass die sozialdemokratischen Abgeordneten trotz ihres Boykotts der Reichstagssitzung, in der Wilhelm II. den Kriegsbeginn rechtfertigte, dann doch - mit zwei rühmlichen Ausnahmen - den Kriegskrediten zustimmte. Ja, sogar die Deutsche Friedensgesellschaft habe sich der allgemeinen Opferbereitschaft nicht entgegenstellen wollen. (Hier hätte mich ein Beleg sehr interessiert.)
Dass in der Bevölkerung die Trennung von Vätern, Söhnen und Brüdern nicht allgemein begrüßt worden ist, dass man ihrem Tod nicht allgemein freudig entgegengesehen hat, darf als sicher gelten, auch wenn öffentliche Organe nicht darüber berichtet haben und die Filmbilder von jubelnden Kriegsfreiwilligen das nicht dokumentiert haben. Die Euphorie war nicht ungeteilt. Doch das "August-Erlebnis" hat Thomas eindrucksvoll belegt.
*Clarks Titel spielt auf Hermann Brochs Trilogie "Die Schlafwandler" an.
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