Dienstag, 4. November 2025

Menschen können nicht alles wissen

 Im Bereich der Geisteswissenschaften, etwa in der Geschichtswissenschaften oder in der Literaturwissenschaft gibt es keine allgemeingültige Wahrheit, sondern man muss akzeptieren, dass man je nach dem Standpunkt, den man hat, etwas anderes für wahr hält als ein anderer. Natürlich gibt es Auffassungen, die so falsch sind, dass man sie nicht zu akzeptieren braucht, aber die Grenze ist fließen.

Selbst die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse sind manchmal widersprüchlich (Licht besteht aus Wellen und es besteht aus kleinsten Materieteilchen - beides lässt sich durch Experimente nachweisen) Ein Wort, das dies für gesellschaftswissenschaftliche Erkenntnisse beschreibt, ist Dialektik. Und sie gelten nur vorläufig. Newtons Verständnis von Raum und Zeit war jahrhundertelang allgemeingültig, bis Einstein es widerlegt hat. Eine Biene, eine Blattlaus und ein Wal erleben unsere Welt anders als wir Menschen. Auch wenn wir forschend immer mehr erkennen und auch innere Widersprüchen zu akzeptieren lernen, immer bleibt es nur menschliche Erkenntnis. Wenn man religiös ist, kann man auch formulieren: "Absolute Wahrheit gibt es nur bei Gott."

Junge Menschen brauchen das nicht zu akzeptieren. Natürlich müssen sie erst einmal von den älteren lernen, aber sie dürfen, ja sie sollen sogar zweifeln. Denn wenn Wissenschaft nur vorläufige Wahrheiten kennt, dann muss es irgendwann mal möglich sein, sie umzustoßen, wenn es bessere Erkenntnisse gibt.  Wissenschaftstheoretiker fassen das mit dem Satz: Die meisten Theorien gelten so lange, bis die letzte Autorität einsichtig geworden oder gestorben ist. (So wird zum Beispiel die für gesunden Menschenverstand  absurde Theorie von der negativen Energie und der dunklen Materie, die man brauchte, um etwas mathematisch Nachgewiesenes zu erklären, inzwischen angezweifelt, weil eine neue Erklärung gefunden worden ist. (Natürlich ist sie noch längst nicht allgemein akzeptiert.)

So, wie es keine absolute Wahrheit gibt, so gibt es auch keine absolute Gerechtigkeit. Offenkundig ist das, wenn zwei Parteien sich streiten; denn jeder hält natürlich nur seine Lösung für gerecht. Aber auch ein unparteiischer Außenstehender den Fall zu beurteilen unternimmt. Nicht zufällig gibt es eine große Zahl von Gerechtigkeitstheorien, die alle voneinander abweichen. 

Ungerechtigkeiten gibt es überall, und kein Gericht kann sie aus der Welt schaffen: 

Natürlich kann man nicht alle über 100 Millionen Flüchtlinge von heute auf morgen in Deutschland unterbringen. Aber man kann sie gerechterweise auch nicht jahrelang in Lagern leben lassen.  Aber, wie sie aufgeteilt und wo sie untergebracht werden sollen, lässt sich nicht schnell ein für alle mal klären. Irgendwann verfällt jeder Fluchtgrund und sei es in einer nachfolgenden Generation. Aber darf man jemanden, dessen Vorfahren schon seit Generationen in einem Land leben, einfach aus einem Land vertreiben?

Wenn zu viele Menschen auf einmal in ein Land kommen wollen, muss es welche abweisen dürfen, schon damit wenigstens die primitivsten Bedürfnisse für alle Ankommenden gewährleiste werden können, aber auch, weil die einheimische Bevölkerung nicht akzeptieren wird, dass alle von heute auf morgen auf das absolute Existenzminimum beschränkt werden. 

(wird fortgesetzt)


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