Vielleicht stammt Ihre Betrugs-SMS von diesen Callcenter-Sklaven
"[...] dürfen ihre Arbeitsplätze nicht verlassen, jene gesichtslosen Bürokomplexe, die wenige Kilometer westlich von der 50.000-Einwohner-Kleinstadt Mae Sot liegen, unmittelbar hinter der Grenze zum Nachbarland Myanmar.
Wo genau diese Grenze verläuft, ist rings um Mae Sot nicht immer ganz klar. Am
Stadtrand gibt es eine flaggengeschmückte "Brücke der Freundschaft" mit
Zöllnerhäuschen, über die Autos und Lastwagen fahren. Aber man kann von
Thailand aus auch unter der Brücke durchlaufen, dann stößt man auf einen
Straßenmarkt für Whisky, Zigaretten und Trockenfische, und dieser liegt bereits in Myanmar.
Händler und Kunden reichen Geld und Waren über symbolisch ausgelegten
Stacheldraht hinweg. [...]
Scam-Center, also Betrugszentren, werden diese Gebäudegruppen in der Gegend
genannt. Die Bezeichnung wird aber nicht den Ungeheuerlichkeiten gerecht, die sich
darin abspielen. Die große Mehrzahl der Menschen, die dort arbeiten, ist verschleppt
worden, aus Thailand, China, von den Philippinen, sogar aus fernen Ländern wie
Nigeria oder der tschechischen Republik. 120.000 Menschen würden in diesen
Zentren in Myanmar festgehalten, hat die UN-Menschenrechtskommission vor zwei
Jahren geschätzt, eine fast unglaublich wirkende Zahl, die aber von NGOs und
Polizeibehörden ähnlich hoch geschätzt wird. [...]
"Kunden" nennt er die einsamen Menschen, die per Telefon und Internet betrogen
werden, denen ihr Geld von einer vermeintlichen Seelenverwandten oder
Liebhaberin abgeschwatzt wird. "Kundendienst" heißen die Leute, die mit solchen Betrugsopfern in laufendem Kontakt bleiben, und wer frische Kunden anspricht,
arbeitet in der "Kundenakquise". "Manager" sind Leute, die die Arbeit einteilen, die
zum Beginn einer Schicht die Handys und Computer auf den Schreibtischen
deponieren und Zielvorgaben machen ("mindestens 30 Kundenkontakte pro Tag").
Ihre Vorgesetzten, die "Bosse", lassen sich in den Großraumbüros so gut wie nie blicken.
Chaoxiang beschreibt das alles wie das Innenleben eines Konzerns aus einer
schlimmen dystopischen Fantasie. Der Workflow der Betrüger ist effizient organisiert.
Es gibt Teams, die neue Telefonnummern und Internetaccounts für die
Kontaktaufnahme identifizieren, kategorisiert nach "Normalbürger", "Wohlhabend"
und "Boss". In anderen Abteilungen arbeiten Spezialisten, die attraktive
Lebensgeschichten erfinden und aufwendig gefälschte Internetprofile anlegen. [...]
"Ja, es gibt Folter hier", antwortet Thiha knapp und erzählt dann von einem Kollegen
aus einem afrikanischen Land, mit dem er sich angefreundet habe und der solche
Dinge zu erdulden habe. "So viele sind hierhin gegen ihren Willen verschleppt
worden", tippt er, "es macht mich sehr traurig, das zu sehen." Haben diese Leute,
seine Kollegen, denn irgendeine Chance, dass sie diesen Ort jemals wieder verlassen?
Oder werden sie arbeiten, bis sie umgebracht werden?
"Hoffnung gibt es so gut wie keine", antwortet Thiha. "Ich tue für sie, was ich kann.
Ich muntere meine Kollegen auf. Manchmal bringe ich ihnen was mit von draußen,
ein Brot zum Beispiel. Ich schenke es ihnen." " (ZEIT 29.4.2025)
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