Es ist wichtig, sich klarzumachen, was die Hamas aus dem Angriff auf das Welthandelszentrum 2001 gelernt hat: Wenn man einen Staat, der einem militärisch völlig überlegen ist, treffen will, muss man zeigen, dass terroristische Angriffe auf die Zivilbevölkerung trotzdem möglich sind und das nicht nur durch Selbstmordattentate, sondern indem man die Zivilbevölkerung großer Teile des Landes in Angst und Schrecken versetzt.
Im Fall der USA hat das dazu geführt, dass sie Afghanistan angegriffen haben, das sie aber nicht langfristig halten konnten, sondern aus dem sie wie in Vietnam als Verlierer abziehen mussten. Es hat außerdem dazu geführt, dass sie den Irak angegriffen haben, wo es dann zu weltweit zu verfolgenden Folterungen kam, und es hat die Einrichtung eines illegalen Gefangenenlagers auf fremdem Staatsgebiet zur Folge gehabt, das mehrere US-Präsidentschaften überdauert hat, weil alle Versuche, es aufzulösen, gescheitert sind.
Die Absicht der Hamas war es, entsprechende Reaktionen Israels auszulösen. Daher die abscheulichen Mordtaten und Verbrechen und zusätzlich die Geiselnahmen, die dauerhaften Druck auf die israelische Bevölkerung und damit auf die Regierung ermöglichten.
Die erste Reaktion Israels war verhältnismäßig: Tötung von Hamasanführern und die Entmachtung der Hisbollah, die im Norden Israels ein ähnliche Gefahr wie die Hamas darstellte. Völlig unverhältnismäßig war der Angriff auf die Bevölkerung im Gazastreifen, ihre Vertreibung in den Süden mit nachfolgendem Angriff auf die Bevölkerung im Süden, wohin sie geflohen waren. Die Bombardements auf den Gazastreifen dauern inzwischen anderthalb Jahre an, inzwischen sind zigtausende Palästinenser umgekommen (über die Zahl 50 000 lässt sich streiten, über 20 000 sind es inzwischen bestimmt). Nach UN-Angaben sind davon inzwischen etwa 70 Prozent Frauen und Kinder. Hinzu kommt die fast zwei Monate andauernde Blockade von Hilfslieferungen, die nicht damit begründet werden kann, dass zwischen Terroristen und Zivilbevölkerung keine eindeutige Abgrenzung möglich sei. Wenn Israel im Libanon und sogar im Iran Terroristen gezielt töten kann, kann man nicht rechtfertigen, der gesamten Bevölkerung eines Gebietes die Lebensgrundlagen zu entziehen, um weitere Hamasmitglieder auszuschalten.
Kritik an dieser Entwicklung ist kein Antisemitismus. Dass Greta Thunberg angesichts der absehbaren Unverhältnismäßigkeit nicht angemessen auf den seelischen Schock reagiert hat, den die ungeheuerlichen Gewalttaten der Hamas ausgelöst haben, nicht nur in Israel, sondern bei Juden in der ganzen Welt, erkläre ich mir durch ihren Autismus.
Wir Durchschnittsbürger reagieren auf das Leid, das wir mit ansehen müssen, stärker als auf das von Millionen von Opfern von Kriegen und Naturkatastrophen. Autisten haben oft größere Probleme, sich in Menschen einzufühlen. Dagegen hat Greta auf die Gefahren, die der Klimawandel heraufbeschworen hat, angemessener reagiert als wir. Denn beim Klimawandel geht es nicht um "nur" Zehntausende oder Hunderttausende von Todesopfern wie bei Schlachten oder einem Atombombenangriff, sondern um die Gefährdung der Überlebensmöglichkeit von Hunderten von Millionen. Wie J. Randers in seinem neuen Bericht an den Club of Rome zu 2052 nüchtern angemerkt hat: Selbst wenn wegen eines Atomkriegs Milliarden von Menschen umkommen sollten, würde das nichts daran ändern, dass ein weltweiter Temperaturanstieg von 3 oder 4 Grad so viel natürliche Lebensressourcen zerstören würde, dass es für die Lebenschancen der übrigen Menschheit keinen merkbaren Unterschied machte.
Wir Durchschnittsmenschen - oder zumindest solche wie ich - können in diesen Dimensionen gar nicht denken. Greta Thunberg hat sich schon 2018 gewundert, dass über Naturkatastrophen und Kriege mehr berichtet wird als über die uns drohende Weltkatastrophe. Eine Antisemitin ist sie deshalb nicht.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen