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Die EU-Staaten haben sich am frühen Dienstagmorgen auf das größte Haushalts- und Finanzpaket ihrer Geschichte geeinigt. Statt der vorgesehenen 500 Milliarden werden 390 Milliarden Euro an direkten Corona-Zuschüssen verteilt, weitere 360 Milliarden als Kredite. Auch eine abgeschwächte Formulierung für die Koppelung von Zahlungen an rechtsstaatliche Kriterien wurde gefunden. Hat sich das zähe Ringen gelohnt?
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Weißer Rauch mit grauen Schleiern
Der Beschluss ist historisch, freut sich Avvenire, macht aber Abstriche:
„Mit der Annahme des Plans ist ein Damm gebrochen. Doch weitere kleine oder große 'Mauern' wurden zu errichten versucht. Die erste betrifft die so genannte 'Bremse', die einzelne Mitgliedsländer ziehen können, wenn sie den Eindruck haben, dass die Begünstigten des Fonds die angekündigten und vereinbarten Reformen nicht umsetzen. ... Das andere Hindernis für eine bürgernähere Union besteht in der Haltung der so genannten Sparsamen - den Niederlanden, Österreich, Schweden, Dänemark und Finnland. Ihre jungen Führungspersönlichkeiten scheinen nicht das geringste Interesse an der Idee eines föderalen oder zumindest eines geeinteren Europas zu haben, wohl aber daran, ihre nationalen Interessen zu verteidigen.“
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Europäische Politik bedeutet Kompromiss
Die Frankfurter Rundschau würdigt das Erreichte:
„Es bleibt ein Programm von in der europäischen Geschichte nie dagewesenem Format. Merkel ließ sich offenbar überstimmen, sie hätte lieber ein stärkeres Signal gegeben. Doch wer sagt, dass nicht auch dies ein Teil des großen Spiels ist? Ob nicht von Anfang an Verhandlungsmasse in sämtliche Summen eingebaut war, wird niemand im Nachhinein klären können. Fest steht aber zweierlei. Erstens: Nie wurde in der EU so viel Geld bewegt zu einem gemeinsam definierten Zweck. Zweitens: Europäische Politik kann nun mal nicht anders definiert werden als durch Kompromisse. ... [N]icht der Streit in Brüssel [ist] bemerkenswert, sondern die Tatsache, dass auf europäischer Ebene überhaupt immer wieder Einigungen gefunden werden.“
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Ein Erfolg auch für Schweden
Stefan Lövfen hat beim Gipfel keineswegs kampflos das Feld geräumt, verteidigt Aftonbladet die Stockholmer Regierung:
„Ein Kompromiss bedeutet, dass niemand die Verhandlungen ganz zufrieden verlässt, und dass dies für Schweden zutrifft, ist offensichtlich. Der Zuschuss-Teil des Krisenpakets wird umfangreich. ... Schweden hatte in den Verhandlungen keine anderen realistischen Aussichten, als darauf zu drängen, diesen Teil gering zu halten. ... Eine reine Kreditvergabe war nie ein realistisches Szenario angesichts der starken Kräfte, darunter Frankreich und Italien, die große Teile des Pakets als Zuschüsse sehen wollten. ... Dass Schweden Zeichen gesetzt und dazu beigetragen hat, eine Senkung der Zuschüsse zu erzwingen, kann daher trotz allem als Erfolg gewertet werden.“
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Der Rechtsstaat als Verhandlungsmasse
Ungarn und Polen haben auf dem Gipfel mal wieder alles bekommen, was sie wollten, kommentiert Habertürk:
„Die populistischen Regierungen in Ungarn und Polen strapazieren weiterhin die EU-Kriterien. Bei den Wiederaufbau- und Budget-Gesprächen verlangte die EU-Kommission von den Ländern, die Hilfen erhalten werden, dass sie Respekt vor den Grundrechten und Freiheiten ihrer Bürger zeigen und sich an die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit halten. Das zielte in erster Linie auf Ungarn und Polen ab. ... Letztendlich aber war deren Widerstand erfolgreich. Und nachdem auch die Mitglieder aus dem Norden die rechtsstaatlichen Prinzipien hintanstellten, obwohl sie diese ursprünglich so betont hatten, erreichte man einen dünnen Kompromiss.“
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Dämpfer für Orbán
Alle Wünsche des ungarischen Premiers wurden am Ende dann doch nicht erfüllt, bewertet dagegen Index das Ergebnis:
„Obwohl Viktor Orbán die Rechtsstaatlichkeitskriterien entfernen lassen wollte, diese sind im endgültigen Text der Haushaltvereinbarung weiterhin zu finden. Doch - wie es zu erwarten war - wird es in diesem Dokument viel abgeschwächter formuliert, als in dem ursprünglichen Entwurf. Die Abstimmungsregeln, um Sanktionen zu bestimmen, wurden so verändert, dass es politisch schwieriger wird, diese durchzuführen.“
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Frankreich und Deutschland müssen anders führen
Für die Wiener Zeitung hat der Gipfel wertvolle Erkenntnisse gebracht:
„So stellt sich, erstens, die Hoffnung als Irrtum heraus, mit dem Austritt Großbritanniens verlasse der störende Nein-Sager die Union. Denn der Geist Londons ist weiter in Brüssel präsent: in Gestalt der 'Sparsamen Fünf' bei Budget-, Umverteilungs- und Wettbewerbsfragen, in Gestalt der Polen, Balten und Tschechen, wenn es um den Aufbau einer von den USA unabhängigen Sicherheitsarchitektur der EU geht. Der Druck zu Einstimmigkeit würde, zweitens, ein anderes Führungsverhalten von Deutschland und Frankreich erfordern. Statt sich vorab auf eine gemeinsame Linie zu verständigen, müssten die beiden gleich auf einen breiteren Konsens in umstrittenen Fragen hinarbeiten. Das würde aber eine Neuinterpretation der Rolle vom deutsch-französischen Tandem bedeuten - und insbesondere Frankreichs Selbstverständnis in Frage stellen.“
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