Mittwoch, 22. August 2018

Paul Spiegel: Was ist koscher?

Paul Spiegel: Was ist koscher?

Spiegel "erzählt von jüdischer Religion und Geschichte, erklärt Riten und Festtage, die Rolle der Familie und des jüdischen Humors. Natürlich geht er auch auf aktuelle Fragen ein, auf jüdisches Leben nach dem Holocaust und die Bedeutung des Staates Israel für Juden in aller Welt." (Paul SpiegelWas ist koscher?, Rezension)

Wenn man bedenkt, dass es für einen erwachsenen Juden 613 Mitzwot (Gebote und Verbote) gibt, nach denen er sich ein Leben lang richten soll*, kann man sich kaum vorstellen, dass das vielen gelingt, zumal man ja nicht freiwillig Jude wird, sondern diese Vorschriften aufgrund seiner Geburt zu befolgen hat. Freilich, wenn man sie kennt, ist es fast noch erstaunlicher, dass erwachsene Personen sich freiwillig all diesen diesen Vorschriften unterwerfen und dass sie sich jahrelang bemühen, Jude werden zu dürfen. 
Juden betreiben keine Mission, vielmehr erschweren sie es, sich ihrer Religionsgemeinschaft anzuschließen, gerade weil es nicht einfach ist, sich diesen Vorschriften und den Anfeindungen, die Juden erleben, zu stellen. 

Zu  diesen Aussagen ist freilich zweierlei hinzuzufügen: Die Juden sind insofern "Erfinder" des "Rassismus", als sie die Sonderstellung einer Gruppe allein auf ihrer Abstammung über Jahrtausende propagiert haben. (Spiegel, S.17-33; dagegen aber Spiegel S.143 "Denn anders, als uns der Antisemitismus seit über 150 Jahren einzureden versucht: Wir Juden sind keine Rasse, sondern ein Volk." - Hervorhebung von Fontanefan) Und es gibt eine Ausnahme von dem Verzicht auf Mission. Unter den Makkabäern wurden besiegte Völker sogar zur Konversion zum Judentum gezwungen. (Spiegel, S.92)
"Das Lernen der Regeln für den Tempeldienst (und damit die Erinnerung daran) war nun das Äquivalent für die eigentlichen Handlungen im Tempel. So verfuhr man in allen Lebensbereichen, die den Glauben tangierten und die nun, nach der Zerstörung, nicht mehr praktiziert werden konnten." (S.100)*
Maimonides, "einer der wichtigsten jüdischen Gelehrten aller Zeiten" lebte von 1135 bis 1204 in einer Phase intensiven Austauschs zwischen arabischen und jüdischen Gelehrten.
Seine "herausragende Leistung lag unter anderem darin, dass er als Kenner der Werke des Aristoteles, dessen Gedankengebäude mit jüdischer Philosophie zu verbinden wusste, ebenso wie er durch die Kenntnis der Texte des berühmten muslimischen Philosophen Averroes auch arabisches Gedankengut verarbeitete. [...] seine Werke sind nicht etwa auf Hebräisch, sondern auf Arabisch geschrieben! " (S.109)

Über den Bund des Volkes Israels mit Gott:
"Der Rabbi von Kozk, einer der großen, gewaltigen spirituellen Führer des osteuropäischen, chaassidischen Judentums, hatte einst ein furchtbares Gebet an Gott gerichtet. Es war eine Zeit der Not, als er es sprach: "Herr der Welt, erbarme Dich unser. Rette uns. Zeige dich endlich. Denn sonst ... sonst werden wir nicht mehr dein auserwähltes Volk sein ... wir werden den Bund mit dir aufkündigen!"
Eine schreckliche Drohung, die für Nichtjuden verrückt erscheinen mag. Denn was ist der Mensch schon im Angesicht Gottes? Wie kann er sich erdreisten, den Herrscher der Welt so herauszufordern? Er kann es, besser: Der Jude kann es, denn der Bund ist ein Vertrag, den beide Seiten, Gott und Abraham, in völliger Gleichheit miteinander geschlossen haben, als Gleichberechtigte." (S.164)

Im KZ Theresienstadt stand auf einer Wand "ein denkwürdiger Satz: wir haben deinen Namen nie vergessen, Herr, vergiss auch du uns jetzt nicht! 

Dies heute, rund sechzig Jahre nach dem Holocaust, auf der Wand [...] zu lesen ist erschütternd. Zugleich ist es aber auch ein weiteres Zeugnis dieser gleichberechtigten Wechselbeziehung zwischen Gott und dem jüdischen Volk, die ohne Vergleich in der Religionsgeschichte ist." (S.164)

"Eine Überlieferung besagt, dass der Messias – auf den wir Juden ja immer noch warten – erst dann kommen wird, wenn alle Juden zweimal hintereinander die Schabbatgebote einhalten, oder aber, wenn alle Juden zweimal hinter einander die Schabbatgebote nicht einhalten!
Beide Fälle beschreiben zwei völlig entgegengesetzte Möglichkeiten: Im ersten Fall geht die Überlieferung davon aus, dass alle Juden wirklich fromm geworden sind und die Gebote Gottes in all ihren komplexen Anforderungen erfüllen. Damit wäre das gesamte jüdische Volk wahrhaftig und wirklich gesetzestreu, es würde auf Gottes Wegen wandeln und hätte all die Niederungen der menschlichen Schwäche, der Niedertracht, des Bösen und des Gemeinen hinter sich gelassen. Dann käme, fast zwangsläufig, die Erlösung in Gestalt des Messias, der nach der Überlieferung nicht nur das jüdische Volk, sondern die gesamte Welt erlösen wird. Das ist dann die Zeit, wenn "Schwerter zu Pflugscharen geschmiedet" werden.
Bei der zweiten Möglichkeit ist das genaue Gegenteil der Fall: Kein einziger Jude hält sich an die göttlichen Gebote. Das jüdische Volk ist also ein "abgefallenes" Volk, abtrünnig geworden von Gott, gottlos, es lebt auf allertiefstem Niveau, fern jeglicher Spiritualität, fern jeglicher Ethik, jeglicher Moral – dann muss der Messias ebenfalls kommen, denn dann steht es ganz schlimm um das auserwählte Volk. Es muss dringend gerettet werden, ebenso wie der Rest der Welt."

(S. 199/200)

Über das Leben von Juden in Deutschland:
"Und wenn man bedenkt, dass die Jewish Agency noch Ende der vierziger Jahre gedroht hat, alle Juden, die nicht innerhalb von sechs Wochen Deutschland verlassen, später nicht mehr als Juden an zu erkennen und ihnen somit eine spätere Einwanderung nach Israel zu verwehren, mag das heute, wo Zehntausende Juden aus der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland gekommen sind, wie aus einer anderen Zeit erscheinen." S.299/300)
"Nur wenn sich Deutschland weiterhin als freier, pluralistischer und liberaler Staat bewährt, werden die Juden sich eines Tages in Deutschland wieder "daheim" fühlen können." (S.303)
* "Nach jüdischem Recht dürfen in Lebensgefahr bis auf drei (Mord, Götzendienst, Unzucht) sämtliche Gebote der Tora gebrochen werden" (Wikipedia)
* Eine Schulung in Abstraktion, die durchaus positiv gesehen werden kann, auch wenn solche Verfahren (wie etwa das Studium der toten Sprache Latein) mit dem Begriff "Säbelzahntigercurriculum" verspottet worden sind."

Zur Fortsetzung (Geschichte des Islam)

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