Freitag, 31. Oktober 2025

Christian Streich vom FC Freiburg

 "Es ist zehn Uhr morgens, als Christian Streich in die Weinbar Trotte hineinweht, in jeder Hand eine Fahrradpacktasche. Eigentlich hat das Lokal in Freiburgs Altstadt noch geschlossen, doch für den legendären Trainer sperrt man gern früher auf. Der erzählt zur Begrüßung, wie ihm mal das Rad aus dem Stadion geklaut wurde, mitten im Spiel. Kameras zeichneten alles auf, gefasst wurde der Täter nie. Nicht nur zum Radfahren hat Streich seit seinem Rücktritt im Mai 2024 [...] "

ZEIT 30.10.25

Christian Streich vom SC Freiburg - natürlich bringt man ein Vorurteil mit, wenn man ein Interview mit dem Trainer dieses Bundesligavereins liest, der nach seiner Spielerkarriere auf Lehramt hin studiert hat, dann aber doch Fußballtrainer bei einem Verein geworden ist, von dem man ein Vorurteil hatte. Nach der Lektüre war er mir noch sympathischer. 


Volksstimme

 Die Volksstimme ist eine Zeitung für Sachsen-Anhalt. Der Name klingt nach Volksentscheid und urdemokratisch.

Doch die Wikipedia weist darauf hin: "Die Volksstimme wird verlegt von der Mitteldeutsche Verlags- und Druckhaus GmbH[2], die zur Bauer Media Group gehört. Der Bauer Media Group gehört seit Januar 2020 mit der Mitteldeutschen Zeitung auch die zweite große Tageszeitung aus Sachsen-Anhalt.[3]" und ergänzt: "Lediglich in der Altmark hat sie mit der 1990 gegründeten Altmark Zeitung einen Wettbewerber."

Für mich zeigt sich: Zeitungen aus dem Gebiet der ehemaligen DDR sind mir weniger geläufig. Nur Beiträge der Mitteldeutschen Zeitung nehme ich öfter wahr. Ob das am Namen liegt, der auf Mitteldeutschland hinweist?

Dazu wiederum die Wikipedia: "Seit der deutschen Einheit 1990 gibt es zunehmend Bestrebungen, das Attribut Mitteldeutschland den Ländern SachsenSachsen-Anhalt und Thüringen, als Kerngebiet zusammengefasst, zuzuordnen. In diesem Sinne fand nach der Jahrhundertflut 2002 in Halle (Saale) die Auftaktveranstaltung der Initiative Mitteldeutschland statt.[1]"

Der Begriff Ostdeutschland ist weniger präzis gefasst: Die Wikipedia unterscheidet: "Ostdeutschland seit 1990 umfasst das Gebiet der seit der deutschen Wiedervereinigung bestehenden neuen Länder und die zugehörige Bevölkerung." (Wikipedia) und "Ostdeutschland bezeichnet den Osten Deutschlands. Der Begriff hat mehrere geographische, politische und soziokulturelle Bedeutungen, die nicht deckungsgleich sind. Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges wurden als Ostdeutschland gemeinhin die östlich der Elbe gelegenen Teile Deutschlands bezeichnet (Ostelbien). Einschränkend waren damit auch nur die östlich von Oder und Neiße gelegenen preußischen Gebiete OstpreußenHinterpommernWestpreußenSchlesien und die Provinz Posen gemeint. Nach 1945 hatte der Ausdruck eine doppelte Bedeutung, da nun auch das Gebiet der Sowjetischen Besatzungszone und ab 1949 die Deutsche Demokratische Republik so genannt wurden, während die alte Bedeutung in der Bundesrepublik Deutschland weiterhin im Gebrauch blieb. Das Staatsgebiet der DDR wurde als Mitteldeutschland bezeichnet. Die Unterscheidung von Ost- und Mitteldeutschland spielte nicht zuletzt im Diskurs der Vertriebenenverbände und der ihnen angeschlossenen Kultureinrichtungen eine Rolle. Ostdeutschland seit 1990 wird im politischen und wirtschaftlichen Sinn als Synonym für die Neuen Länder nach der deutschen Wiedervereinigung gebraucht." (Wikipedia)

Der Begriff Mitteldeutschland bleibt vieldeutig. Dazu die Wikipedia: "Der Begriff Mitteldeutschland dient der Bezeichnung eines im weitesten Sinne zentral in Deutschland gelegenen Gebietes; er findet im geographischen, linguistischen,   historischen, kulturellen, wirtschaftlichen, politischen und weiteren Zusammenhang Verwendung.

Da das Gebiet nicht eindeutig oder je nach Wissenschaftszweig unterschiedlich definiert ist, überschneidet sich der Begriff mit den vielschichtigen Definitionen Nord-Ost-Süd- und Westdeutschlands. Bereits 1819 entstand auf dem Gebiet der Wirtschaft die Idee von Mitteldeutschland." 

Montag, 27. Oktober 2025

Vor- und Nachteile einer KI - Was meinen Sie? - Antwort der KI

  Frage: "Die Arbeit mit KI kann uns mehr Freiräume bieten, das ist theoretisch möglich. Genauso, wie es theoretisch möglich war, dass die Einführung der E-Mail uns im Vergleich zum Fax oder dem Brief mehr Freiräume bietet. Wenn wir nur so wenig E-Mails schreiben würden, wie wir früher Briefe geschrieben hätten. Leider ist die Geschichte etwas anders ausgegangen. Jetzt mehren sich tatsächlich doch die Signale, dass KI weniger Freiräume für Reflektionen bietet. Wer mit Texten arbeitet, erlebt zum Beispiel, dass die Kollegen sehr unsaubere KI-Texte schicken. Diese Texte müssen dann mit viel Aufwand korrigiert werden. D.h.: der eine macht es sich leicht, der andere muss es ausbaden."

Was sagt eine KI dazu?

Antwort: Das ist eine sehr treffende Beobachtung und ein wichtiger Punkt, der oft in der Euphorie um neue Technologien übersehen wird. Ihre Analogie zur E-Mail ist ausgezeichnet.

Zusammenfassend: Das Paradox des "gewonnenen" Freiraums

  • Theoretisches Potenzial: KI könnte Routineaufgaben automatisieren und uns Zeit für komplexere, kreative, strategische oder reflektive Arbeit verschaffen.

  • Praktische Realität (das "E-Mail-Dilemma"):

    • Senkung der Einstiegshürde: Technologien, die die Produktion erleichtern (wie E-Mail oder generative KI), führen oft zu einer exponentiellen Steigerung der Gesamtmenge des Outputs (Informationsflut).

    • Verschiebung des Aufwands: Anstatt das Gesamtvolumen der Arbeit zu reduzieren, wird die Arbeit verschoben – von der Produktion auf die Kuration, Korrektur und Verifizierung.

    • Der "Badewannen-Effekt": Wie Sie richtig beschreiben, macht es sich der Sender leicht (schnell einen unsauberen KI-Text generieren), und der Empfänger hat den Mehraufwand (Validierung, Korrektur, Säuberung).

Warum KI Reflexion erschweren kann:

  1. Geringere Hemmschwelle: Wenn ein Text in Sekunden generiert werden kann, fehlt der nötige innere Stopp, um zu fragen: Ist das wirklich notwendig? Ist es die beste Formulierung? Habe ich alle Fakten geprüft? (Die Reflexion wird ausgelagert oder ganz übersprungen.)

  2. Die Illusion der Fertigstellung: Ein generierter Text sieht "fertig" aus und gibt das Gefühl, eine Aufgabe erledigt zu haben, auch wenn er qualitativ mangelhaft ist.

  3. Qualität der Reflexion: Gute Reflexion erfordert Ruhe und Fokus. Wenn der Arbeitstag gefüllt ist mit dem Korrigieren und Bereinigen von "Müll" (egal ob E-Mail-Müll oder KI-Text-Müll), fehlt genau dieser Raum für die eigene tiefe, ungestörte Auseinandersetzung mit dem Thema.

Ihre Erfahrung zeigt: Technologie allein schafft keinen Freiraum; es ist der bewusste Umgang mit der Technologie, der Freiraum schafft. Organisationen und Teams müssen klare   Qualitätsstandards  und Nutzungsregeln für KI-generierte Inhalte definieren, um diesen negativen Effekt abzuwenden.

Fontanefan dazu: Ich habe den Text für meine Frage aus Zitaten aus dem folgenden Artikel zusammengestellt: "Im Arbeitsalltag sind oft Verdummungspraktiken am Werk", einem Interview von Steffen Hermann mit Hans Rusinek in der FR vom 27.10.25, Seite 2. Das kann ich nämlich bisher nicht verlinken.[Hier ein Artikel von Steffen Hermann zur KI, der sich schon verlinken lässt: Künstliche Intelligenz ist die Dampfmaschine für Büroarbeit, FR 28.8.25]

So versuche ich, die Gedanken von Rusinek etwas zu ergänzen und gleichzeitig vorzuführen, wie ich mir die Arbeit eigener Reflexion durch Abgabe an die KI erspart habe. Ich selbst kann Rusinek nämlich in diesem Punkt nur zustimmen. Die Arbeit, das auszuformulieren, habe ich der KI überlassen.

Andererseits kann KI auch kreative Arbeit anstoßen und erleichtern. Das zeigt Jean-Pol Martin gegenwärtig mit einer Reihe von Artikeln in seinem Blog auf.



Freitag, 24. Oktober 2025

Tilo Wesche: Die Rechte der Natur

. Tilo Wesche:  Die Rechte der Natur. Vom nachhaltigen Eigentum

Gegenwärtig  werden von verschiedenen Institutionen (Parlamenten, Regierungen und Gerichten) der Natur zunehmend eigene Rechte zugesprochen. Tilo Wesche geht der Frage nach, ob und wie sich solche Recht von Natur begründen lassen.  Dabei geht er von einem allgemeinen Eigentumsrecht aus und prüft, wie weit solche Rechte der Natur  reichen. Diesen Fragen geht  in seinem philosophischen Grundlagenwerk mit Blick auf das Eigentumsrecht nach. Beim Klima-, Arten- und Umweltschutz würden Eigentumsrechte häufig vernachlässigt, doch wohne ihnen selbst eine Vorstellung ökologischer Nachhaltigkeit inne, die zur Überwindung eines extraktiven Naturverhältnisses beitragen kann.

Kann diese Rechtspraxis zur Bewältigung des Klimawandels beitragen? 

Mittwoch, 22. Oktober 2025

Warum warne ich nicht vor "Umvolkung"?

  Ich habe seit den 70er Jahren das Problem angesprochen, dass Flucht so erschwert wird, dass immer wieder Flüchtlinge auf dem Weg nach Europa umkommen, und auch darüber gesprochen, dass die Hilfen zur Integration von Flüchtlingen unzureichend waren. Seit Ende der 80er Jahre war ich in der Arbeit für Asylbewerber engagiert. Im ersten Jahrzehnt meiner Arbeit in der Wikipedia habe ich dort auf das Problem der Abwehr von Flüchtlingen und darauf hingewiesen, dass im Atlantik und im Mittelmeer weit mehr Menschen umkommen sind, als es Mauertote gab. 

Eine umfassendere Seite über die verschiedensten Probleme im Zusammenhang mit Flüchtlingen entstand gegen 2009, etwa 2015/16 habe ich ihn dann in die Wikiversity gestellt, weil das Wiki, in der er stand, abgeschaltet wurde.

Während ich mich seit Jahrzehnten mit diesen Problemen befasse, denen schon Zehntausende zum Opfer gefallen sind, wollen AfD-Anhänger die Probleme nicht wahrhaben. Da hilft es auch nicht, wenn der Papst vor einer Globalisierung der Gleichgültigkeit warnt. Genaue Zahlen der Opfer kennt man ja nicht. Denn während viele der Ertrunkenen irgendwann an einer Küste angespült werden (manche trieben freilich schon vor Jahrzehnten im Atlantik fern von jeder Küste), die, die in der Wüste verdurstet sind, bleiben liegen, wo sie starben ("Niemand weiß, wie viele Menschen schon auf diese Weise umgekommen sind. Auf jede Leiche, die in der Sahara entdeckt wird - im Jahre 2015 wurden mindestens 40 gezählt -, kommen weitere fünf bis fünfzig, die nie gefunden werden." "(S.36))

Aber natürlich wird vor Umvolkung gewarnt, wenn trotz all der Todesopfer dennoch von den über 100 Millionen Flüchtlingen eine kleine Prozentzahl nach Europa kommt und nicht wenige davon nach Deutschland, obwohl es nicht ans Mittelmeer grenzt, wo die Staaten direkt mit den Flüchtlingen zu tun haben. "Umvolkung" nennen sie es, wenn man die Mittelmeeranrainerstaaten nicht mit dem Problem allein lässt, sondern einen Teil der Flüchtlinge ins Land lässt.

Es werden weiterhin Flüchtlinge in Deutschland Asyl finden, so wie während der Schreckensherrschaft Hitlers viele Deutsche - vor allem in Europa und Nordamerika - Aufnahme gefunden haben. Ich habe jahrelang mit Flüchtlingen aus Nazideutschland zusammengelebt und kenne deren Schicksale. Nun, wenn die AfD ihr Ziel erreicht, dann werden es weniger sein. "Ich hatte an der Grenze das Zyankali dabei, wenn ich nicht aufgenommen worden wäre", sagte mir eine Frau aus der Deutschen Gemeinde in Oxford, die in der Hitlerzeit nach England kam.

Zyankali gegen Umvolkung? Was denken sich AfD-Anhänger dabei?

Ein späterer Richter am Bundesverfassungsgericht (Er arbeitete dort von 1951-1971) überlebte die Nazizeit in Großbritannien. Was wäre gewesen, wenn die Briten zu große Angst vor Umvolkung gehabt und ihn nicht ins Land gelassen hätten?

Vor 45 Jahren geflohen, jetzt europäischer Marktführer

 Girmau Teclai war in Lebensgefahr, zwei seiner Studienfreunde waren ermordet worden. 

In seiner Heimat Eritrea tobte der Krieg. Er wurde um die Unabhängigkeit Eritreas von Äthiopien geführt. Weil sein Vater ein Geschäft hatte und mit Kleinbussen den Verkehr auf dem Lande ermöglichte, hatte er auch genügend Geld, um seinen Sohn 1980 für die lebensgefährliche Flucht auszustatten. (" 'Erpressung ist Teil unserer Kultur geworden' erzählt mir ein eritreischer Flüchtlingsaktivist. 'Wir wissen, wo wir gefoltert werden und was wir zahlen müssen. Wir sind darauf vorbereitet. Für uns ist das normal.' [...] Die Familie muss also für die Reise durch die Wüste nachträglich 1600 US-Dollar zahlen. Wenn die Familie dieses Geld nicht aufbringen kann, foltert der Schleuser den Migranten und lässt dessen Angehörige am Telefon mithören." (S.46)

In Deutschland arbeitete er in einer Edeka Filiale und gleichzeitig bei einem Bäcker. Sein Aufstieg begann mit Haarausfall.

https://www.fr.de/wirtschaft/gt-world-of-beauty-wird-europaeischer-marktfuehrer-fuer-afroprodukte-93998196.html FR22.10.25

Sonntag, 19. Oktober 2025

Was bedeutet Familie?

 "[...] Wir haben gelernt, dass wir mit Familie die Befriedigung zentraler menschlicher Bedürfnisse wie Zugehörigkeit, Gemeinschaft und Bindung verbinden. Laut einer Langzeitstudie der Universität Harvard ist das Gefühl von Verbundenheit der wichtigste Faktor für ein glückliches Leben. Wer also keine eigene Familie gründet oder keine große Herkunftsfamilie hat, muss diese Bedürfnisse anders befriedigen. Keine Überraschung also, dass für mich – kinderlos, Einzelkind, Scheidungskind, Single, kleine Herkunftsfamilie – alternative Familienmodelle alles andere als trivial, sondern eher existenziell sind. Dass immer mehr Freunde und Freundinnen zu Eltern werden, die über die Kinder zudem Zugang zu einer riesigen Peer-Group aus Gleichgesinnten erhalten, fühlt sich für mich bedrohlich an. Werden dadurch unsere Freundschaften in den Hintergrund treten? Müssen wir aufpassen, muss ich aufpassen, dass wir uns nicht komplett verlieren? Diese Gedanken machen mich traurig und unsicher.

Und es sind nicht nur Gedanken. Freundschaften brauchen, wie alle Beziehungen, Arbeit und Pflege. Laut der Soziologin Sabine Diabaté ist "Beziehungsarbeit neben Kompatibilität, die in selbstgewählten Bindungen in der Regel gegeben ist, einer der wichtigsten Faktoren für stabile und tragfähige Bindungen". Seit viele meiner Freundinnen Mütter sind, bleibt diese Arbeit aber auf der Strecke: Wir telefonieren kaum noch. Gemeinsam verbrachte Wochenenden sind selten und zusammen in den Urlaub zu fahren, ist kaum mehr denkbar.  [...]

Gleichzeitig möchte ich mich auf keinen Fall in das Kleinfamilien-Idyll drängen. Das ist vielleicht auch der Grund, warum ich in einer Art vorauseilendem Gehorsam weniger Sprachnachrichten schicke, anrufe oder kaum mehr nach gemeinsamer Zeit frage. Es ist ein stiller – und, bei näherem Hinsehen, für alle Seiten kontraproduktiver – Rückzug.

Ein wenig aufgeregt wage ich einen Vorstoß bei drei meiner engsten Freundinnen. Ich frage sie, ob sie es sich vorstellen könnten, gemeinsam mit ihren Familien und mir einen Kurzurlaub zu machen. Zu meiner Überraschung sagen alle sofort ja. Was mich ehrlich freut – und gleichzeitig denke ich: Das ist doch Win-Win-Win-Win für alle. Für meine Freundinnen und ihre Partner, weil eine weitere erwachsene Betreuungsperson dabei ist, die sich mit um die Kinder kümmert. Für die Kinder, weil da noch jemand ist, der Energie zum Spielen hat. Für uns als Freundinnen, weil wir gemeinsam Zeit verbringen können. Für mich, weil ich in der für mich perfekt dosierten Form Kinder-, Freundinnen- und Me-Time in meinem Leben habe und das Gefühl bekomme, am Leben meiner wichtigsten Menschen teilzuhaben. [...] 

Ich habe außerdem gelernt, dass eine Kleinfamilie keine Garantie für lebenslange Verbundenheit ist. Ja, im Idealfall bietet sie einen Ort der Geborgenheit. Das ist aber zum einen längst nicht überall der Fall. Kurt Tucholsky bringt es in dem Gedicht Danach auf den Punkt: "Es wird nach einem happy end, im Film jewöhnlich abjeblendt." Die Scheidungsquote lag 2023 bei 35,7 Prozent. Zum anderen gibt es in vielen Familien generationenübergreifende und partnerschaftliche Konflikte und vor allem für Frauen im Alltags-Hamsterrad oft zu wenig Raum. Das bietet gerade bei Müttern ein großes Potenzial für eine schrittweise Vereinsamung. "Auch in funktionierenden Familien braucht es mehr als den Kosmos der Kleinfamilie", sagt die Soziologin Sabine Diabaté. Gerade tiefe und lange Freundschaften, in denen man den Kern der anderen Person kennt, sind dabei essenziell." (Wer ist Familie, wenn ich keine Kinder bekomme? von ZEIT 11. Oktober 2025)

Nicht ganz zufällig, dass das eine Frau schreibt; aber für Männer gilt Entsprechendes. Ganz problematisch ist es, wenn man über der Familie die Pflege von Freundschaften vernachlässigt. Nicht, dass man alle seine Internetfreundschaften und Bekanntschaften dauerhaft aufrechterhalten müsste. Aber da, wo man eine gute Beziehung spürt, sollte man in die Freundschaft investieren. Ganz gewiss gilt das beim Älterwerden. 

Nach dem jewöhnlich abjeblendt des Happy Ends folgt nämlich die lange Phase des Abnehmens von Freundschafts- und Familienbeziehungen, mal sind es Berufswechsel, mal Umzüge und dann immer häufiger Sterbefälle. 

Deswegen: Kluge Alleinstehende haben oft mehr "Familie" als Familienväter, die das Pflegen anderer Verbindungen vernachlässigen.

"Im Alter sind die Freunde selten. Die, die du hast, die lasse gelten. Recht kannst du immer noch behalten, doch nicht den Freund, den guten alten."

Das gilt seit dem Auseinandertriften der Gesellschaft seit Corona, dem Ukrainekrieg, dem Krieg im Gaza und nach der Enttäuschung über Parteien (die von ihren ursprünglichen Zielen inzwischen abweichen) noch deutlich mehr. 

Es ist aber falsch, Verbindungen wegen Meinungsverschiedenheiten abzubrechen. Man verliert dadurch nicht nur "Familienkreis", sondern auch an geistigem Horizont, geistiger Beweglichkeit. Was sind die Gründe, dass jemand anders denkt, den ich früher sehr geschätzt habe? Sind sie wirklich so grundlos, haltlos, ohne Sinn? Oder lerne ich mehr über andere und mich selbst, wenn ich sie nachzuvollziehen versuche. Mag sein, ich scheitere. Aber es könnte auch sein, ich lerne dazu, werde weniger rechthaberisch und verstehe besser, wie ich mich seit dem Kennenlernen mit dem Freund verändert habe. 


  


Mittwoch, 15. Oktober 2025

Bundesverdienstkreuz für die Wikipedianerin Alice Wiegand

 https://blog.wikimedia.de/2025/10/01/bundesverdienstkreuz-fur-wiegand-und-wikipedia/

Für die Wikipedia ist die Präsidentin der deutschen Wikimedia offenbar nicht relevant genug. Jedenfalls gibt es noch keinen Wikipediaartikel zu ihr. Vielleicht kenne ich aber auch nur nicht ihren Benutzernamen, so dass ich sie in ihrer Autoreneigenschaft nicht erkenne.

Dienstag, 14. Oktober 2025

Mangel an Demokratie

 "[...] Der offene Diskurs über die absurd ungerechte Verteilung von Einkommen und Vermögen ist noch immer weitgehend blockiert.

Unter den meisten Politiker:innen jenseits der Linken ist die offene Benennung der sozialen Spaltung in unserer Gesellschaft sogar ein regelrechtes Tabu. Denn sie wissen genau: Wenn sie daran ernsthaft rühren, dann müssen sie mit einem organisierten medialen Sperrfeuer rechnen, das ihre Wahlchancen drastisch mindert.

Dahinter stehen die Superreichen, oder genauer gesagt deren Interessenverwalter in der Finanzindustrie und den Konzernen sowie deren Verbände und ihre Armee von Anwälten. Gemeinsam stellen sie eine ideologische Mauer gegen den offenen Diskurs zur Verteilungsfrage.

Nichts dokumentiert das besser, als das einst im Jahr 2009 vom Sozialdemokraten Peer Steinbrück wieder eingeführte Adelsprivileg, also Reichtum und Macht als Geburtsrecht. Denn seitdem müssen die Erben von Unternehmen keine Steuern mehr auf ihr Erbe zahlen.

Darum werden selbst Milliardenkonzerne steuerfrei vererbt, und im Ergebnis entgehen dem Fiskus jährlich bis zu zehn Milliarden Euro. Schon 2014 hat das Bundesverfassungsgericht diese Praxis als verfassungswidrig gebrandmarkt. Aber die Folge war nur eine Pseudoreform, die an dem Privileg nichts geändert hat. Das nenne ich Macht!

Und das ist ja nur eine der vielen strukturellen Ursachen der Ungleichheit. In die gleiche Kategorie gehört die absurde Nichtverfolgung der Steuerkriminalität mit Kosten für den Fiskus im mindestens zweistelligen Milliardenbereich, wie der Bundesrechnungshof vorsichtig schätzte.

Und politisch geradezu kriminell ist die Steuerfreiheit für Immobiliengewinne: Allein deswegen kaufen die Reichen aus aller Welt jedes Jahr für mehr als 100 Milliarden Euro deutsche Immobilien und treiben damit Normalverdiener in die Verzweiflung, weil das die Wohnkosten zusehends unbezahlbar macht.

Würde nur dieses Staatsversagen korrigiert, gäbe es allein damit genug Geld, um ganz ohne Schulden endlich für sozialen Ausgleich zu sorgen.

Und das ist unbedingt notwendig! Denn die exzessive Ungleichheit hat dramatische politische Folgen: Während die Minderheit der Vermögenden immer mehr Kapital und damit Macht auf sich konzentriert, breitet sich in der übrigen Gesellschaft die Angst vor dem Abstieg aus. Und das ist das gefährliche soziale Gift für die Demokratie. Denn diese Statusängste verunsichern die Menschen in ihrer Identität, in ihrer Vorstellung über ihren Platz in der Gesellschaft. [...]"

Montag, 13. Oktober 2025

Kritik am Supercomputer

 https://www.nachdenkseiten.de/?p=140516

"[...] Die politische Rhetorik von „Technologiesouveränität“ entpuppt sich so als Hülle. Tatsächlich ist Jupiter nicht der Beweis europäischer Stärke, sondern der Beweis europäischer Schwäche. [...]"

Wie der Stand deutscher Technologieentwicklung ist, weiß ich nicht. Aber die Art, wie hier Deutschland schlecht geredet wird, erinnert mich an die Stellungnahmen deutsche Generäle vor dem Ukrainekrieg über den Zustand der Bundeswehr. Im Laufe des Krieges stellte sich heraus, dass die Verteidigungsfähigkeit der Ukraine zu einem nicht unwichtigen Anteil von den Waffenlieferungen der Bundeswehr abhing.

Die IT-Konzerne der USA und Chinas sind den deutschen weit voraus. Das rechtfertigt aber nicht, dass Deutschland nicht versucht, auf dem einen oder anderen Zukunftssektor-Sektor noch mitzuhalten, auch wenn das Geld kostet.

Dass gegenwärtig IT mehr Energie verbraucht, als sie einzusparen hilft, gilt allgemein, nicht nur für Deutschland. 

Samstag, 11. Oktober 2025

Der Drache von Trutnov

Der Drache von Trutnov 

Es gibt zwei Sagen von einer Drachentötung, wo nicht ein Held eine große Tat begeht, sondern wo der Drache mit Nachdenken und Geschick der Drachen getötet wird.

"[...] Am Boden der Schlucht sahen sie einen riesigen Lindwurm. Er lag ausgestreckt im Gras und fraß gerade ein großes Tier. Er atmete schwer und mit jedem lauten Ausatmen kam Feuer mit schwarzem Rauch aus seinem Rachen. Sein ganzer Körper war mit Schuppen bedeckt und an seinen Seiten hingen häutige Flügel. Hinter dem Lindwurm im Felsen sahen sie ein dunkles Loch in die Lindwurmhöhle.

Beide Freunde erschraken und eilten zu ihren Leuten zurück. Auf dem Rückweg machten sie mit einer Axt Markierungen an den Baumstämmen, um den Weg zum Lindwurm wiederzufinden. Sie erzählten Herrn Albrecht von ihrem Abenteuer. Er lachte sie zuerst aus. Es leben doch keine Lindwürmer oder Drachen, haha! Paul und Nikolaus schworen jedoch, reine Wahrheit gesagt zu haben. Also befahl Herr Albrecht, Ketten und Seile auf Wagen zu laden und begab sich mit seinem großen Gefolge zu der Schlucht bei der Lindwurmhöhle. So sahen den Lindwurm auch die anderen Menschen.

Herr Albrecht wies das Gefolge an, zuerst ein massives Holzgitter zu machen. Dieses hängten sie über den Körper des Lindwurms. Dann ließen sie ein junges Lamm als Köder vorsichtig auf den Grundboden der Schlucht. Der Lindwurm roch die verlockende Beute und begann sich langsam auf das Lamm zuzubewegen. Aber da hatten die Leute schon ein Gitter mit scharfen Spitzen auf ihn geworfen und warfen auf das Gitter noch viele Steine hinterher, die meisten davon auf seinen Kopf und Schwanz. Das Gitter war somit unheimlich schwer und der Lindwurm konnte sich darunter überhaupt nicht bewegen. Er fing schrecklich an zu schreien [ein Drache schreit!]. Aus dem Rachen spie er Feuer in eine große Entfernung, doch die Falle hielt ihn wie eine Zange fest. Herr Albrecht ließ schnell Baumstämme und Reisig auf den Lindwurm werfen und zündete dann alles an. Der Höhlenbereich verschwand unter dunklem und giftigem Rauch und der Lindwurm erstickte dadurch mit einem schrecklichen Gebrüll [!].

Als alles vorbei war, zogen die Leute mit großer Freude dem Lindwurm die Haut ab. Sie trockneten diese in der Sonne, stopften sie dann mit Spänen aus und hangen [!] im steinernen Turm auf. Die Stadt Trautenau, die sie hier später aufbauten, wurde nach dem Zunamen von Herrn Albrecht benannt und den ausgestopften Lindwurm schenkten sie dem Fürsten Udalrich als Andenken an die tapfere Tat der Stadtbegründer. "

https://www.ictrutnov.cz/de/sage-von-der-toetung-des-trautenauer-lindwurms

Der Drache im Stadtwappen von Trutnov erinnert an diese Sage. Der getötete Drache soll später in die Stadt Brünn (Brno) gebracht worden sein, wo er auch in einer dortigen Drachensage eine Rolle spielt.

"Die Legende besagt, dass einst in Brünn ein Drache hauste, der die Nutztiere der Einwohner verschlang und letztere in Angst und Schrecken versetzte. Von Seiten der Stadt wurde also eine Belohnung für denjenigen ausgesetzt, der den Drachen aufspürt und tötet. Viele scheiterten an dieser Aufgabe. Ein kluger Ritter aber hatte die zündende Idee: Er wickelte ungelöschten Kalk in eine Kuhhaut und legte das Ganze als Köder aus. Der Drache fraß den Köder, trank Wasser und als der Kalk damit gelöscht wurde, platzte er und war somit erlegt.

Im Brünner Rathaus hängt er nun, der geplatzte und wieder zusammenflickte Drache, der eigentlich ein Krokodil ist, welches 1608 der Stadt Brünn vom ungarischen König Matthias II. geschenkt wurde. Für die Dampfschwaden im Brünn des 21. Jahrhunderts gibt es aber angesichts der Tatsache, dass der Drache seit 400 Jahren tot ist, eine relativ unspektakuläre Erklärung: Die Stadt besitzt noch ein Dampfheizungssystem aus den 1930er Jahren. Mit dem Dampf werden diverse öffentliche Gebäude wie das Janáček-Theater beheizt und an einigen Stellen strömt er eben auch aus kleinen Essen, also Schornsteinen, an die Oberfläche." (https://landesecho.cz/kolumnen/landesblog-geheimnisvolles-bruenn-2/001012/)

Freitag, 10. Oktober 2025

Klage über Folter in Israel


https://en.wikipedia.org/wiki/Sexual_and_gender-based_violence_against_Palestinians_during_the_Gaza_war

https://en.wikipedia.org/wiki/Sexual_and_gender-based_violence_against_Palestinians_during_the_Gaza_war#Sexual_abuse_prior_to_7_October

Allerdings sind die in der engl. Wikipedia dazu angeführten Berichte erst nach dem 7.10.23 veröffentlicht worden.

Der folgende Bericht über Vorgänge 2021 berichtet nur über Klagen, aber nach meinem Verständnis nicht über erhärtete Fälle.

Das ändert sich nach dem 7.10.2023.


Dienstag, 7. Oktober 2025

Eine Sprache, die besser verschlüsselte als alle Verschlüsselungstechniken

 "Navajo bzw. Navaho ist die am weitesten verbreitete und meistgesprochene der insgesamt sieben Apache-Sprachen bzw. Südlichen Athapaskischen Sprachen. Sie gehört daher zu den drei großen regionalen Sprachgruppen der Athapaskischen Sprachfamilie und zusammen mit dem Tlingit zu den sogenannten Na-Dené-Sprachen. Sie wird im Südwesten der Vereinigten Staaten, hauptsächlich in Arizona, New Mexico, Utah und Colorado von den Navajo (Diné / Naabeehó) gesprochen. Diese bezeichnen ihre Sprache meist jedoch als Diné bizaad oder Naabeehó bizaad – „Sprache des Volkes“, auch: Dinék'ehjí.

Das Navajo hat ca. 170.000 Muttersprachler[1], und die Zahl steigt sogar. Damit ist Navajo die größte indigene amerikanische Sprache nördlich der Grenze zwischen den USA und Mexiko. Doch auch bei den Navajo gibt es immer mehr Kinder, die nur Englisch sprechen: Der Anteil rein englischsprachiger Kinder zwischen 5 und 17 Jahren nahm zwischen 1980 und 2000 von 11,8 auf 48,7 Prozent zu.[2] Navajo gilt als gefährdete Sprache.

Navajo ist für den Nicht-Muttersprachler derart komplex, dass die US-Streitkräfte im Zweiten Weltkrieg im Pazifik mit großem Erfolg Navajo-Indianer als Übermittler von Botschaften einsetzen konnten (Navajo-Code-Sprecher). Zum einen entzog sich diese Sprache aufgrund ihrer Komplexität allen logisch-mathematisch arbeitenden Dechiffrierungsansätzen, andererseits war diese Art der Codierung der konventionellen chiffrierten Kommunikation weitaus überlegen, da sie wesentlich schneller und einfacher – weil über direkten Sprachkontakt – funktionierte." (Wikipedia)

Montag, 6. Oktober 2025

Mohr, Mauritius, Mohrenstraße

 Eigentlich schade, dass mit dem Aussterben des Wortes Mohr und der Umbenennung  der Berliner Mohrenstraße die höchst ehrenvolle Sicht auf Afrikaner (lateinisch: Maurus (Nordwestafrikaner) als Ursprung des Wortes Mohr) und der beiden Heiligen (des Schwarzen der "heiligen drei Könige" und des heiligen Mauritius) im christlichen Mittelalter verloren geht.

Der Weise/König, der schon vor den ersten Christen den kommenden Christus als Kind verehrt, und der Heilige Mauritius, der in der christlichen Kirche des Mittelalters daran erinnert, dass die ersten Christen Orientalen waren und sich das Christentum erst durch Paulus nach Europa ausgebreitet hat. Von der Königin von Saba aus Äthiopien erst gar nicht zu reden.

All das lange bevor erst im 17. Jahrhundert mit dem "N-Wort" ein despektierliches Wort für die Schwarzen in Mode kam.


Trumps Remigrationspolitik

 "[...] US-Präsident Donald Trump lässt Jagd auf Migranten und Migrantinnen machen. Die Einwanderungsbehörde ICE durchsucht ganze Stadtviertel nach „illegalen Ausländern“, nimmt Tausende fest und verfrachtet sie in Internierungslager. Perspektive: Deportation in das Herkunftsland. Gleichzeitig wird die US-Grenze zu Mexiko dicht gemacht. US-Unternehmen klagen bereits, dass ihnen die Billigarbeitskräfte ausgehen. 

Länder wie Nicaragua, Honduras oder El Salvador hängen von den Überweisungen ihrer in den USA arbeitenden Landsleute ab. Washingtons Maßnahmen könnten damit „Armut, Ungleichheit und Kriminalität in ohnehin schon fragilen Volkswirtschaften weiter verschärfen und genau den Migrationsdruck verstärken, den sie einzudämmen versuchen“ – diese Warnung kommt nicht von einer NGO, sondern vom Internationalen Bankeninstitut IIF. [...]

Viele Menschen aus armen Ländern suchen ihr Glück in den Zentren der Weltwirtschaft, wo sie auf dem Bau, im Handel, in der Gastronomie oder der Landwirtschaft arbeiten. Mit einem Teil ihres meist schmalen Lohns unterstützen sie ihre Familien in der Heimat. Diese Überweisungen, so genannte „Remittances“, machen einen Großteil der Finanzflüsse in den Globalen Süden aus. 2024 erreichten sie laut Weltbank weltweit 905 Milliarden Dollar. Damit sind Remittances für die ärmsten Länder wichtiger als die offizielle Entwicklungshilfe oder Direktinvestitionen aus dem Ausland.

Die armen Regionen Zentralamerikas leben von den Remittances

Gerade die armen Regionen Zentralamerikas leben von den Remittances. Denn von hier stammt ein Großteil der Migranten in den USA. „Die Menschen verlassen diese Länder aufgrund einer Kombination aus extremer Armut, Gewalt durch Banden und kriminelle Gruppen ..."

FR 6.10.25

Struwwelpeter

 https://de.wikipedia.org/wiki/Struwwelpeter

https://de.wikipedia.org/wiki/Struwwelpeter#Die_gar_traurige_Geschichte_mit_dem_Feuerzeug


Samstag, 4. Oktober 2025

Sklaverei in Afrika

"Die omanischen Araber betrieben über den Indischen Ozean, einen regen Handel mit versklavten Afrikanern. Dieser Handel unterschied sich in mehrfacher Hinsicht von der Besitzsklaverei der atlantischen Welt. Zunächst konnten fast versklavte Afrikaner auf vielfältige Weise eingesetzt werden: sie wurden als einfache Diener beschäftigt, da der Besitz von Hauspersonal, in der arabischen Kultur als Zeichen von Prestige galt; sie leisteten als Dichter, Handwerker, Schriftsteller, Musiker und Handelsgehilfen, einen wichtigen Beitrag im kulturellen Bereich; sie dienten als Matrosen oder Soldaten in der omanischen Armee; oder sie wurden als Perlentaucher im Golf eingesetzt (viele Taucher litten an geplatzten Trommelfell, sowie schweren Haut- und Atemwegserkrankungen). Obwohl manche Sklaven derartige Tätigkeiten ausübten, wurde die überwiegende Mehrheit allerdings in riesigen landwirtschaftlichen Projekten mit dem Dattelpalmenanbau und der Trockenlegung von Salzwiesen eingesetzt, wobei Letzteres eine besonders zermürbende und harte Arbeit war.

Im transatlantischen Handel wurden nur Afrikaner versklavt, die Araber hingegen erhielten Sklaven aus vielen Teilen der Welt, auch aus Europa, wenngleich die Afrikaner den größten Anteil bildeten. In allen wichtigen Städten der arabischen Länder gab es Märkte, die unter strenger, staatlicher Kontrolle betrieben wurden. Der Preis für einen versklavten Menschen richtete sich nach seinem Herkunftsort, seinem Geschlecht, seinem Alter, seiner körperlichen Verfassung und seinen Fähigkeiten.
Im transatlantischen Handel gab es zweimal so viele männliche wie weibliches Sklaven. Sie waren gefragter, weil sie aufgrund ihrer Körperkraft als landwirtschaftliche Arbeitskräfte produkti/ver waren, und wurden vor allem auf Plantagen in der Karibik sowie in Nord -und Südamerika eingesetzt. Im Gegensatz dazu wurden im Handel über den indischen Ozean wie im ostafrikanischen Handel die weiblichen Gefangenen mehr geschätzt, und man nimmt an, dass ihre Zahl, die der männlichen übertraf. Verschleppte afrikanische Frauen mussten als Sexsklavinnen arbeiten oder wurden in das Konkubinatssystem der Adligen aufgenommen. Daher war es nicht ungewöhnlich, dass arabische Prinzen und Kalifen afrikanisches Blut von ihrem Mutter erbten. Wenn ein arabischer Mann mit einer Sklavin Nachwuchs zeugte, wurde dieses Kind frei geboren, und in der Regel wurde auch die Mutter freigelassen, damit sie sich um ihr Kind kümmern konnte. Ein Kind, das ein weißer 'Meister' mit einer versklaven Afrikanerin zeugte, blieb in den Amerikas und der Karibik hingegen gewöhnlich ein versklavter Mensch.
 Afrikanischen Männern war es verboten, sexuelle Beziehungen zu arabische Frauen zu unterhalten. Außerdem wurde ein Teil der verkauften Männer von ihren arabischen Herren kastriert. /  Als Eunuchen hatten sie die Aufgabe, über die Konkubinen zu wachen. Die Kastration war ein grausamer und unmenschlicher Prozess: die meisten jungen Männer überlebten die Tortur nicht.
 Viele Afrikaner setzten sich von Anfang an erbittert zur Wehr. Manchen gelangen sogar bedeutende militärische Siege gegen ihre Unterdrücker. In einem gut dokumentierten und sehr frühen Fall aus dem Jahr 869 erhoben sich Mitglieder von Zwangsarbeitergruppen, die in Mesopotamien, im heutigen Südirak, auf Farmen arbeiteten, gegen ihre arabischen Aufseher. Ihre Arbeits- und Lebensbedingungen waren derart miserabel, dass die Sklaven, die in den Sümpfen Salz abbauten, im 'Aufstand der Zandsch' aufbegehrten. Die Revolte dauerte fast 15 Jahre und forderte Tausende Menschenleben, bevor sie schließlich niedergeschlagen wurde.
Jahrhunderte nach dem Zandsch-Aufstand. widersetzte sich eine Gruppe afrikanischer Frauen ihrer Versklavung. Dies geht aus einem mündlich überlieferten Bericht hervor, auf den bei meinen Gesprächen in Afrika über Sklaverei mehrfach Bezug genommen wurde. Es geht um den transsaharischen Handel nach Nordafrika." (Zeinab Badawi: Eine afrikanische Geschichte Afrikas, S. 229-231)

Mittwoch, 1. Oktober 2025

Arm und Reich

 Reiche machen Deutschland arm

Steuergerechtigkeit — Der Staat weiß nicht, wie viel die Reichsten besitzen. Mindestens 1.400 Milliarden Euro nennen 200 Super­reiche ihr Eigen – Eigentum, das sie laut Grundgesetz verpflichtet. Ein wichtiges Argument, die Vermögenssteuer wieder einzuführen und die Erbschaftssteuer grundlegend zu reformieren

Die reichste Familie in Deutschland ­konnte sich jahrelang verstecken. Seit die Vermögenssteuer 1997 abgeschafft ­wurde, weiß der Staat nicht mehr, was die Begüterten so alles anhäufen. Und weil es den Leuten hinter dem Pharmakonzern Böhringer-Ingelheim nicht ­passte, dass alle Welt von ihren 50 bis 100 Milliarden Euro Kenntnis erhält, unter­sagten sie dem Manager Magazin, sie in der jährlich veröffentlichten „Reichstenliste“ aufzuführen. Mindestens zehn ­weiteren Milliardären ist es ebenso gelungen, unterm Radar der öffentlichen Wahrnehmung zu bleiben.

Damit haben das „Netzwerk Steuergerechtigkeit“ und die Hans Böckler Stiftung jetzt Schluss gemacht. Ihre Recherchen belegen, dass die 200 Superreichen in Deutschland mindestens 1.400 Milliarden Euro ihr Eigen nennen. Damit besitzen sie 500 Milliarden mehr, als das Manager Magazin im November ausgerechnet ­hatte. Diese zusätzlich aufgespürte Summe übersteigt deutlich den gesamten Bundeshaushalt, sie würde ausreichen, das Bürgergeld für 5,5 Millionen Menschen fast 20 Jahre lang zu finanzieren.


Wie die Reichen reich werden

„Böhringer hat sich bisher nicht bei uns gemeldet; offenbar haben sie sich damit abgefunden, dass das nun öffentlich ist“, sagt Christoph Trautvetter, einer der ­Autoren der Studie. Genau wie bei Familie Merck sind Arzneimittel die Basis ihres Riesenvermögens. Schon länger ist bekannt, dass auch die Aldi-Erben und der Lidl-Gründer Dieter Schwarz zur Spitzengruppe zählen. Ihr Erfolgsrezept: Landwirte und Lieferanten drangsalieren, um mit billigen Preisen andere Lebensmittel-Läden vom Markt zu drängen. Autokonzerne sind ebenfalls sehr einträglich: BMW und VW haben Susanne Klatten, die ­Familie Quandt und die Porsche-Nachkommen zu Multimilliardären gemacht.

Um die Spitze des Geldbergs zu erforschen, durchstöberten Trautvetter und sein kleines Team keine Geheimarchive, sondern lasen Geschäftsberichte und kombinierten verschiedene Quellen aus dem Internet. Eine Fleißarbeit – kein ­Hexenwerk. Doch während Armut in Deutschland bestens untersucht ist, gibt es beim Reichtum große Wissenslücken. Kein Lehrstuhl oder staatliches Forschungsinstitut beschäftigt sich systematisch mit dem Thema.

Das schadet der Demokratie und dem Gemeinwohl. „Die Politik agiert im Blindflug. Doch es ist nötig, dass wir offen über Geld und seine Verteilung reden“, sagt Trautvetter. Schließlich steht im Grundgesetz: „Eigentum verpflichtet. Sein ­Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“ Daraus folgt, dass Leute mit vielen Immobilien, Wertpapieren und dicken Bankkonten nicht für sich in Anspruch nehmen dürfen, dass ihr Reichtum allein sie etwas angeht. „Die Politik muss dafür sorgen, dass Privat­vermögen erfasst wird, damit es politisch diskutierbar wird“, so Trautvetter.

Lobbyisten spielen bei alledem eine ­zentrale Rolle. Klar: Wer viel investieren kann, um die Politik zu beeinflussen, hat bessere Karten. Gerade hat die Bürgerbewegung Finanzwende untersucht, über welches Budget die Interessenvertretungen verfügen, die im Lobbyregister des Deutschen Bundestags registriert sind. Mehr als 150 Millionen Euro im Jahr lassen sich Wirtschaftsverbände und ­Firmen diesen Posten kosten. Allein die Stiftung Familienunternehmen stellt 1,8 Millionen Euro bereit, um Einfluss auf Gesetze und politische Entscheidungen zu nehmen. Dem haben alle zivilgesellschaftlichen Organisationen zusammen lediglich 19 Millionen Euro entgegenzusetzen.

Viel Geld investieren die Superreichen in Grund und Boden. Eine Aldi-Erbin hat beispielsweise riesige Flächen Ackerland gekauft, auch Mietshäuser sind beliebte Anlageobjekte. Weil Boden begrenzt ist, wird er immer teurer – mit fatalen Kosten für diejenigen, die darauf wirtschaften oder wohnen. Die Pacht- und Kaufpreise für landwirtschaftliche Betriebe sind in die Höhe geschnellt, Mieten in Groß­städten explodiert. Weil es zu wenig ­Sozialwohnungen gibt, ist der Staat gezwungen, für Bürgergeld- und Wohngeldempfangende völlig überhöhte Quadratmeterpreise zu übernehmen – zur Freude der Vermieter, die nach einer Studie vom Bündnis Soziales Wohnen auf diese Weise 700 Millionen Euro aus der Staatskasse abgreifen.


Die ärmere Hälfte der Bevölkerung

So erstaunt es nicht, dass der Staat knapsen muss und die Schere zwischen arm und reich auseinandergeht. „Die Vermögensungleichheit in Deutschland (liegt) auch im internationalen Vergleich auf ­einem hohen Niveau“, stellte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung bereits 2020 fest. Den Daten zufolge besitzt die ärmere Hälfte der Bevölkerung in Deutschland zusammengerechnet lediglich 2,8 Prozent des Privatreichtums.

https://www.gutefrage.net/diskussion/was-denkt-ihr-ueber-diesen-artikel-ueber-die-superreichen-deutschlands