Abhijit V. Banerjee, Esther Duflo: Poor Economics
Plädoyer für ein neues Verständnis von Armut
Angus Deaton: «Entwicklungshilfe ist zynisch»
"[...] In Afrika gibt es einige Staaten, die zwanzig, vierzig oder achtzig Prozent des Haushalts von der Entwicklungshilfe finanziert bekommen. Gelder in solch hohem Ausmass beeinflussen das Verhältnis zwischen Regierung und Bevölkerung. Der Gesellschaftsvertrag werde gestört, wie Angus Deaton betont: «Ohne ein demokratisches oder wechselwirksames Zusammenspiel von Steuern und Ausgaben» könne der Staat nicht funktionieren.
In der Schweiz ebenso wie in den USA übernimmt der Staat wichtige Dienstleistungen, und wenn der Bürger mit der Leistung des Staats und seinen politischen Vertretern nicht zufrieden ist, kann er sie abwählen. Aber wenn die Dienstleistungen von aussen herangetragen würden, funktioniere dieser Mechanismus nicht mehr. Das Zusammenspiel von Verantwortungs-Übertragung und Rechenschafts-Pflicht, wie es in einer modernen Gesellschaft besteht, werde gestört. Entwicklungshilfe behindert laut Deaton deshalb die Entstehung eines funktionierenden Staates.
Hilfe für statt Hilfe in
Damit Entwicklungshilfe den Gesellschaftsvertrag nicht antastet, schlägt Angus Deaton vor, nicht länger Hilfe in einem Land zu leisten. Stattdessen müsse man Hilfe für ein Land leisten. Etwa im Bereich Tropenkrankheiten könnten die Industrienationen viel mehr tun. «Es wird kaum Geld für die Malariaforschung ausgegeben und fast nichts für Ebola», erklärt Deaton, «weil die Krankheiten amerikanische Bürger nicht betreffen. Würde sie die Amerikaner betreffen, würde die Regierung sehr viel Geld ausgeben. Wenn wir den Menschen also helfen wollen, können wir grosse Summen für die Erforschung solcher Krankheiten spenden.» [...]"
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