Mittwoch, 27. April 2016

Die Philippinos beseitigen unseren Internetmüll

"Die Müllabfuhr im Internet" hieß deshalb eine Veranstaltung der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin sehr passend, die sich diesem aufwendig verdrängten Thema der Mediendemokratie widmete, über das es nur sehr wenige Informationen gibt. Denn die Schattenarmee, die in neonbeleuchteten Großraumbüros die moralische Verwerflichkeit der zivilisierten Welt im 24/7-Akkord ungesehen machen soll, ist zum Schweigen verdammt. Laut der Verpflichtung, die jeder Mitarbeiter dieser digitalen Putzkolonnen unterschreiben muss, dürfen sie nicht einmal ihren Partnern davon berichten, was sie den ganzen Tag über sehen müssen - falls eine Partnerschaft nicht sowieso von diesem Job zerstört wird. [...] Oder will man wirklich darauf hoffen, dass Computerprogramme den echten Horror sicher identifizieren? Das funktioniert derzeit noch nicht einmal bei Texterkennung: "Man kann beobachten", so Roberts, "dass User eine extreme Kreativität entwickeln, um rassistische Inhalte so zu formulieren, dass die Software sie nicht entdeckt."
Diese Dilemmata lassen sich kaum zufriedenstellend lösen. Aber das koloniale Gebaren, unseren Psycho-Müll in Asien abzuladen, müsste eigentlich einer genauso intensiven Globalisierungskritik unterzogen werden wie die Kinderarbeit.
http://www.sueddeutsche.de/digital/internetzensur-wer-die-blutlachen-bei-facebook-aussortiert-1.2969438

"Tatsächlich bezahlen den Preis für unser digitales Wohlbefinden andere, real existierende Menschen, die sich auf der anderen Seite des Erdballs tagtäglich mit den tiefsten Abgründe der Menschheit beschäftigen müssen und uns davor bewahren. Auf den Philippinen ist im Laufe der zurückliegenden Jahre die neue Branche der „digitalen Müllabfuhr“ entstanden, ein in der westlichen Hemisphäre weitestgehend unbemerkter Dienstleistungsbereich mit über 500.000, vielleicht sogar einer Million Beschäftigten. [...]
Fakt ist: sie bezahlen einen hohen Preis. Viele der Mitarbeiter gelten trotz ihres jungen Alters nach weltweiten Standards längst als traumatisiert, auch wenn sie nach einem mehr oder weniger kurzen Zeitraum die Arbeit aufgeben. Die Bilder von grauenhaften Unfällen, Enthauptungen, Kindesmisshandlungen, Tierquälereien, Vergewaltigungen oder Lynchjustiz bekommen nur die wenigsten von ihnen wieder aus dem Kopf. Auf eine fundierte psychologische Betreuung können nur die wenigsten hoffen.
( Bernd Rubel am 27. April 2016, mobile geeks)

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