Donnerstag, 19. Juni 2014

Putin-Anekdote

Hillary Clinton gibt in ihren Memoiren wieder, was nach Putin sein Vater ihm erzählt hat:
Als Putins Vater als Soldat nach Leningrad (heute wieder Petersburg) zurück kam, sah er, wie eine Fuhre Leichen zu einem Massengrab gefahren werden sollte. An den Schuhen erkannte er seine Frau, flehte die Bestatter an, ihm ihren Körper herauszugeben, stellte dann fest, dass sie noch lebte, pflegte sie, bis sie gesundete, und acht Jahre später wurde Putin geboren.
Ich gebe diesen Bericht absichtlich sehr distanziert wieder. Selbst wenn Putins Vater seinem Sohn den Vorgang so wiedergegeben hat, braucht er sich nicht so abgespielt zu haben.
Aber der Bericht trägt alle Zeichen einer Anekdote. Die Wikipedia kennzeichnet eine Anekdote, wie folgt:
"Eine Anekdote hat eine bemerkenswerte oder charakteristische Begebenheit, meist im Leben einer Person, zur Grundlage. Die drei wichtigsten Merkmale sind: die Pointe, dass sie nur auf das Wesentliche reduziert ist und die scharfe Charakterisierung einer oder auch mehrerer Personen."
In diesem Fall charakterisiert der Erzähler Putin sich selbst als traumatisiert durch die Erfahrungen seiner Eltern bei der Leningrader Blockade, dem vielleicht größten Kriegsverbrechen der deutschen Wehrmacht.
Was immer Putins Eltern in dieser Zeit erlebt haben. Es ist kaum vorstellbar, dass sie dadurch nicht traumatisiert wurden.
Wenn Putin einer US-Außenministerin eine solche Anekdote erzählt, so um deutlich zu machen, dass er ein biographisch bedingtes Recht auf ein gesteigertes Sicherheitsbedürfnis habe.
Wer es für nötig gehalten haben sollte, Deutschland im Hindukusch zu verteidigen, und sich jetzt vielleicht durch die Besetzung der Krim bedroht fühlt, der hat schlechte Karten, wenn er Putin ein Recht auf ein gesteigertes Sicherheitsbedürfnis absprechen will.
Doch wird ihn kaum etwas hindern, mich als "Putinversteher" abzuqualifizieren.

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