Rettet die Vielfalt Ein Plädoyer für mehr Eigensinn und Gemeinsinn zugleich. Makroskop 13.8.25
"[...] Die Touristen dürfen eine mittelalterlich eingerichtete Wohnung begutachten und werden in einem Museum über dies und das aufgeklärt. Das Museum lässt uns wissen, dass es damals eine „Vielfalt der städtischen Gesellschaft“ gab. Die „diversity in civic society“ zeige sich in einer Einwohnerschaft, die „Bettler, Tagelöhner, Bedienstete und Handwerker ebenso wie Kaufleute, Handelsherren, Gelehrte, Kirchenleute und Patrizier“ umfasse. Die Ständegesellschaft wird dem modernen Zeitgenossen als „diversity“ verkauft. Die soziale Immobilität und Ungleichheit des Mittelalters verschwinden in historisch nicht informierten Marketingphrasen [...]
Hier eine Kritik, die dezidiert nicht aus der rechten Ecke kommt. Meine These ist, dass die Gender-, Vielfalts- oder Identitätstheoretiker mit ihrem angeblichen Kampf für diversity die Voraussetzungen menschlicher Individualität zerstören. [...]
Die Sprachphilosophie der Identitätstheoretiker ist von Michel Foucault (damit letztlich von Nietzsche) geprägt. Sprache ist für diese Theorie immer und nur Macht. Wenn einem Jungen gesagt wird, dass er ein Junge ist, dann ist das eine Form der Machtausübung. Er wird in ein soziokulturelles Konzept gezwängt, ohne dass ihm die Möglichkeit gegeben wird, selbst zu bestimmen, wer er ist und sein möchte.
Richtig ist, dass Spracherwerb immer mit der Aneignung kulturellen Wissens verbunden ist, das die Welt durch eine bestimmte Brille betrachtet. Aspekte der Welt werden in der Sprachaneignung akzentuiert und differenziert, andere hingegen ausgeblendet und nicht wahrgenommen. Andere Möglichkeiten der Weltsicht gehen verloren. Hinzukommt, dass Spracherwerb ganz wesentlich mit Geboten und Verboten, mit Ansagen, was erlaubt ist und was nicht, was richtig und was falsch ist, verbunden ist. Kindlicher Spracherwerb und kindlicher Erwerb der sozialen Normen und Werte einer Gesellschaft sind dasselbe. Insofern ist Sprache ein Machtinstrument.
Spinnt man diesen Gedanken der Identitätstheorie zu Ende und will man eine machtfreie Erziehung, müsste man dafür plädieren, dass jedes Kind seine eigene Sprache entwickeln oder eine vorgefundene Sprache auf seine besondere Weise aneignen muss, um seine besondere Identität zu finden. Aller Einfluss von außen stellt eine Verstümmelung des sich selbst schaffenden Subjekts dar. So weit geht hoffentlich niemand.
Denn Sprache kann man nicht alleine lernen, es bedarf immer Dritter, die die regelkonforme Verwendung eines Ausdrucks bestätigen. Ohne das ist im Hirn nur Durcheinander.
Gegenüber dem identitätstheoretischen eindimensionalen Sprachverständnis muss man die Ambivalenz von Sprache betonen: (Kindlicher) Spracherwerb bedeutet nicht nur Machtausübung Dritter, Sprache ist auch die Voraussetzung dafür, dass Vernunft in die Welt und in den kindlichen Kopf kommt. Sprache ist Voraussetzung dafür, dass ich Freiheit erlange. [...] Jede Tradition, die nicht in Frage gestellt werden muss, macht das Leben leichter, aber sie muss immer in Frage gestellt werden, wenn sie der Wahrheit im Wege steht. [...]
Die Mehrheitsmeinung in der Gesellschaft hält an der Zweigeschlechtlichkeit fest. Das wird sich so schnell nicht ändern. Es gehört zur „diversity“ einer Gesellschaft, dass es in ihr Gruppen gibt, die das queere Weltbild ablehnen. Nicht jeder, der daran Zweifel hat, dass es viele Geschlechter „gibt“ (was immer das genau heißt), ist ein demokratieloser Rechter. [...]"
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen