Erdoğan ist wie der Staatsgründer Attatürk ein Aufsteiger. Während dieser im osmanischen Reich aufgrund seiner militärischen Fähigkeiten aufstieg, hat Erdoğan seinen Aufstieg als Politiker in der Republik geschafft. Er wurde im alten Istanbuler Hafenviertel Kasımpaşa geboren und wird nicht müde, seine Herkunft aus diesem Milieu, in dem man sich als Schläger durchschlagen können musste, zu betonen. Das und die Tatsache, dass er der Türkei zu einem wirtschaftlichen Aufstieg verholfen hat, verbürgt ihm die Anerkennung der "schwarzen Türken", die im Unterschied zu den weißen Türken (der Ausdruck wurde 1992 geprägt) den Aufstieg nicht geschafft haben. Da nehmen sie seine autokratischen Methoden in Kauf.
Zu den Anekdoten, die er erzählt, gehören die grausamen Strafen, die er von seinem Vater erlitt, und die ihm nach seiner eigenen Aussage gut getan haben. (Denn als Türke lässt man auf seine Eltern nichts kommen.)
Schwarzer Türke, das unterscheidet ihn von Trump, der ja ebenfalls von seinem Image des Anti-Establishment lebt, aber von seinem Vater hunderte Millionen als Startkapital bekam.
Zwar ist Attatürk E.s Vorbild, aber er setzt sich von ihm ab, insofern er für die alten religiösen Traditionen eintrat, was ihm im laizistischen System der Türkei, das weitgehend von den Militärs gesteuert wurde, eine Gefängsnisstrafe und damit den Verlust des Rechts, Abgeordneter zu werden, einbrachte.
"Mit TRT6 entsteht am 1. Januar 2009 sogar ein kurdischsprachiger Kanal destürkischen Staratsfernsehens. Als dieser auf Sendung geht, gratuliert Erdoğan auf kurdisch: 'TRT ses bi xer be' 'Ich wünsche dem Kanal 6 alles Gute' – eine kleine Sensation, nicht nur weil ein türkischer Ministerpräsident öffentlich kurdisch spricht. Der Satz enthält auch den kurdischen Buchstaben 'X' gesprochen Wie das deutsche 'ch' in Bach) – der war seit 1928 in der Türkei verboten, ebenso wie 'W' und 'Q'. "(S.259)
Wie gegenüber den Türken versucht es Erdogan 2004/05 mit einer Annäherung, doch das Versöhnungsabkommen der beiden Außenminister vom 10.10.2009 wird nie ratifiziert. (S.282) Über einem türkisch-armenischen Versöhnungsdenkmal kommt es zu einer Auseinandersetzung zwischen Erdogan und dem Künstler Mehmet Aksoy:
"Zuletzt entstand in der ostanatolischen Stadt Kars die 35 Meter hohe und 1500 Tonnen schwere Skulptur İnsanlık Abidesi (Denkmal der Menschlichkeit), die zur Versöhnung zwischen Armeniern und Türken aufruft. Weil der Standort des Monuments aus historischen Gründen umstritten ist, wurden die Bauarbeiten unterbrochen und im Jahr 2011 von Ministerpräsident Erdoğan der Abriss des weitgehend fertiggestellten Denkmals gefordert.[3][4][5] Der Abriss des Kunstwerks begann auf Erdoğans Anordnung Ende April 2011.[6] Der Künstler verglich die Aktion mit der Zerstörung der Buddha-Statuen von Bamiyan durch die Taliban. Insgesamt 2000 Personen, darunter Aksoy und Künstler aus Istanbul protestierten am 23. April in Kars gegen den drohenden Abriss. Die Zerstörung der Skulptur stieß innerhalb und außerhalb der Türkei auf heftige Kritik.[7]
Präsident Erdogan soll sich abwertend über das Denkmal der Menschlichkeit geäussert haben, worauf Aksoy Erdogan erfolgreich wegen Beleidigung verklagte. Er bekam vom Gericht 10`000 TL zugesprochen, doch er nahm das Geld nicht, mit der Begründung er würde niemals Kunst mit dreckigem Geld machen wollen.[8] Das wiederum nahmen Türkische Staatsanwälte zum Anlass Mehmet Aksoy wegen Beleidigung des Präsidenten zu verklagen, weil sie aus seinen Worten verstanden hatten, dass er die Verdienste Erdogans als schmutzig ansah.[9]"
(Wkipedia)
Aksoys Freund Bedri Baykam sagt zu der Entwicklung: "Leider merken viele Türken nicht, wie sich unser Land sehr langsam aber stetig islamisiert. Erdoğan macht das Licht aus – nicht auf einmal, sondern ganz langsam: er dimmt es runter bis es eines Tages ganz dunkel wird." (S.279)
Was den Völkermord an den Armeniern betrifft, ist Erdoğan bereit, über die "traurigen Ereignisse" zu sprechen, aber die Bezeichnung Völkermord oder Genozid weist er zurück, mit Staaten, die offiziell davon sprechen beginnt er einen diplomatischen Konflikt, im Lande ist die Rede davon strafbewehrt. (S.282/83)
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