Montag, 5. November 2018

Hans Kuhn. Das alte Island

Es gibt auf unserem Erdball kein anderes Land von ähnlicher Größe und Lage sowie auch Eignung für menschliches Leben, das bis in die geschichtliche Frühzeit menschenleer geblieben ist. So hat die Einzigartigkeit Islands schon begonnen, bevor es in die Geschichte eintrat.
Es sind jedoch vor den Skandinaviern trotzdem schon Menschen auf die Insel gekommen, wahrscheinlich sogar schon einzelne Römer. In Südostisland sind drei römische Münzen aus den letzten Jahrzehnten dritten nachchristlichen Jahrhunderts gefunden worden. Sie sind aus so schlechtem Metall, daß sie im freien Germanien nur ganz selten Einlaß gefunden haben, und sind daher höchstwahrscheinlich von Römern selbst ins Land gebracht, und zwar wohl mit einem Schiffe, dass von den Britischen Inseln an die isländische Küste verschlagen wurde und dessen Besatzung sich an Land retten konnte [...] zu einer Ansiedlung, die sich halten konnte, ist es jedenfalls nicht gekommen.
Um 800 müssen dann irische Anachoreten nach Island gekommen sein.[...] Wahrscheinlich hielten sich diese Einsiedler nur in den Sommermonaten in Island auf. Die Zeit um 800 oder kurz davor, in der sie angefangen zu haben scheinen, die ferne Insel aufzusuchen, deutet darauf, das es ein Ausweichen vor den Wikingern gewesen ist, die gerade damals begannen, nach Schottland und Irland über zugreifen.
Es mag auffallend erscheinen, daß die Eskimos den viel kürzeren Weg von Grönland nach Island offenbar nie gefunden haben. Denn hätten sie es getan, dann würden Sie sich sicherlich auf ihm festgesetzt und es nicht wieder verlassen haben. Die Erklärung liegt in der oben berührten völligen Unwirtlichkeit der Island zugewandten Ostküste Grönlands.(S.18/19)


Männer und Frauen waren nicht gleichberechtigt; aber die Frauen hatten mehr Rechte, als man vielleicht vermuten könnte.
So konnten sie die Scheidung aussprechen (Kuhn: Island, S.91: Scheidung); andererseits wurde Ehebruch von Frauen schwer bestraft, während Männer nur mit verheirateten Frauen die Ehe brechen konnten. Nebenfrauen und Beischläferinnen waren nicht ungewöhnlich (ebda, S.91); es gibt aber zumindest ein Beispiel, wo eine Ehefrau darauf bestanden hat, dass die Nebenfrau den Hof des Ehepaars verließ (ebda, S.92).

Die öffentliche Rolle der Frauen ging nach der Einführung des Christentums zurück. Bis 1030, dem Ende der Sagazeit, waren "6 Frauen namentlich bekannt [...], welche gedichtet haben" (Kuhn: Island, S.93). Offenbar eine Auswirkung des Satzes "Das Weib schweige in der Gemeinde". Das Nebenfrauenwesen konnte die Kirche lange nicht beseitigen, vielmehr wurden in der Sturlungenzeit auch Liebschaften von Frauen geduldet. (S.93)
(Hans Kuhn. Das alte Island, 1971)

Zum Vergleich:
Wikipedia: Geschichte Islands, Die erste Besiedlung

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