Mittwoch, 24. September 2014

Darwin und der Sozialdarwinismus

Damit ich leichter auf Formulierungen, die ich anderenorts gebraucht habe, zurückgreifen kann, halte ich sie hier fest.
Darwin ging von einer natürlichen Auslese aus, die im Laufe der Entwicklungsgeschichte von Pflanzen und Tieren einerseits zur Ausbildung charakteristischer Eigenschaften von Arten und andererseits zum Aussterben von Arten geführt habe, die an ihre natürliche Umwelt nicht angepasst waren.
Sozialdarwinistisch ist es, diese natürliche Auslese im Laufe von vielen Generationen künstlich und kurzfristig durch Unterdrückung, durch Einschränkung oder Beseitigung der Fortpfanzungsfähigkeit oder sogar durch Ausrottung eines unerwünschten Personenkreises herbeizuführen.

Darwins war kein Sozialdarwinist, doch sah er es durchaus als problematisch an, dass in der menschlichen Gesellschaft die natürliche Auswahl nicht stattfinde. So schreibt er: 
"Wir bauen Zufluchtsstätten für die Schwachsinnigen, für die Krüppel und die Kranken; wir erlassen Armengesetze und unsere Aerzte strengen die grösste Geschicklichkeit an, das Leben eines Jeden bis zum letzten Moment noch zu erhalten. (…) Hierdurch geschieht es, dass auch die schwächeren Glieder der civilisirten Gesellschaft ihre Art fortpflanzen. Niemand [...] wird daran zweifeln, dass dies für die Rasse des Menschen im höchsten Grade schädlich sein muss. [...] „Die Hülfe, welche dem Hülflosen zu widmen wir uns getrieben fühlen, ist hauptsächlich das Resultat des Instincts der Sympathie [...] Auch könnten wir unsere Sympathie, wenn sie durch den Verstand hart bedrängt würde, nicht hemmen, ohne den edelsten Theil unserer Natur herabzusetzen. (…) Wir müssen daher die ganz zweifellos schlechte Wirkung des Lebenbleibens und der Vermehrung der Schwachen ertragen" (Zitate nach Wikipedia Stichwort Sozialdarwinismus, Hervorhebung durch mich)
Die aus seiner Sicht schädliche, wenn auch aus moralischen Gründen unvermeidbare Beseitigung der natürlichen Auswahl in menschlichen Gesellschaften, ließe sich allenfalls vermeiden "wenn die an Körper und Geist Schwachen sich des Heirathens enthielten".
Er vertrat also gerade nicht die  Ansicht, dass es auch in der menschlichen Gesellschaft eine natürliche Auslese gäbe. Vielmehr meinte er, die positive Auswirkung einer natürlichen Auslese sei nur durch freiwillige Enthaltsamkeit ersetzbar. 
Darwins Vermutung, der Fortfall natürlicher Auslese in menschlichen Gesellschaften sei für die Entwicklung der Menschheit schädlich, ist freilich eine, die die Bedeutung von Kultur für die Menschheit unterschätzt. So deutet z.B. ein Fall wie Stephen Hawking darauf hin, dass der Menschheit wichtige Anstöße ihrer kulturellen Entwicklung verloren gingen, wenn alle, die für ihr dauerhaftes Überleben auf fremde Hilfe angewiesen sind, ihrem "natürlichen Schicksal" überlassen blieben.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen