"[...] Trump hat es auf die Medien abgesehen! Den TV-Sender CBS hat er auf zehn Milliarden verklagt, weil sie ein Interview mit Kamala Harris angeblich so bearbeitet hatten, dass sie vorteilhafter wirkte. Die Muttergesellschaft Paramount verhandelt nun gerade einen Vergleich mit Trump. Sie befürchtet, dass er eine geplante Fusion mit einem anderen Medienhaus sonst verhindern würde. Auch ABC hat einen 15-Millionen-Dollar-Vergleich mit Trump geschlossen. Es ging um die Formulierung eines Moderators. Er hatte Trumps Verurteilung wegen sexuellen Übergriffs als Vergewaltigung bezeichnet. Und CNN hat die Sendung des Trump-Kritikers Jim Acosta von der Primetime so weit in die Nacht verschoben, dass er kündigte. Die Medien buckeln alle vor ihm.
ZEIT ONLINE: In Ihrem ersten Buch haben Sie Donald Trump als impulsgetriebenen Menschen beschrieben, den selbst die meisten seiner Mitarbeiter für inkompetent hielten. Haben Sie erwartet, dass Sie vier Bücher über ihn schreiben würden, und jedes Mal ist Trumps Macht noch ein bisschen gewachsen?
Wolff: Irre, oder? Von einem erzählerischen Standpunkt macht es die Geschichte natürlich immer noch besser. Dieser Mann, den nichts aufhalten kann. [...]
ZEIT ONLINE: Seine Mitarbeiter hassen ihn, aber Amerika liebt ihn?
Wolff: Ja, denn er hat die Fähigkeit, Aufmerksamkeit zu monopolisieren. Ein Beispiel: Wenn man als Politiker viermal angeklagt ist, ist man eigentlich erledigt. Wenn du für die Anklagepunkte sogar den Rest deines Lebens ins Gefängnis gehen könntest, gerät ein normaler Mensch in Panik, denn die Staatsanwaltschaft in Amerika gewinnt 95 Prozent aller Fälle. Nicht aber Donald Trump. Er macht die Anklagen zum Wahlkampf, weil diese ihm absolute Aufmerksamkeit garantieren. Denn wie gewinnt man sein Publikum? Mit Konflikt, Konflikt, Konflikt. Er war 14 Jahre Reality-TV-Star, er kennt die Techniken. Es war die riskanteste politische Wette aller Zeiten: Verurteilt mich – oder wählt mich. Die meisten normalen Menschen können so viel Konflikt allerdings gar nicht aushalten. Das macht einen fertig, verursacht Burn-out. Wo sind etwa all die Demokraten jetzt, nach der Niederlage? Trump aber hat nie Burn-out. [...] ZEIT ONLINE: In Ihrem zweiten Buch haben sie den Streit im Team von Sonderermittler Robert Mueller beschrieben. Mueller hatte Verbindungen zwischen Trump und Russland ermittelt, strafrechtlich relevante Kontakte und Absprachen dokumentiert. Aber angeklagt hat er Trump dafür nicht. Und jetzt behauptet Trump, die Ukraine habe Russland angegriffen, Selenskyj sei ein Diktator, und er verhandelt mit Russland über das Ende des Krieges – ohne die Ukraine. Der Mueller-Report spielt längst keine Rolle mehr. Wolff: Wieder so ein institutionelles Versagen. Robert Mueller hat Trump damals nicht angeklagt, weil er Schaden von der Institution des Präsidentenamtes abhalten wollte. Einen regierenden Präsidenten anzuklagen, das gehörte sich nicht. Trump hat diese Schwäche sogleich ausgenutzt und sich einfach von allen Vorwürfen freigesprochen.
ZEIT ONLINE: Trump schafft es immer wieder, die Wirklichkeit in seinem Sinne zurechtzubiegen. In Ihrem Buch beschreiben Sie das auch am Beispiel seiner Ehe mit Melania. Und Sie wundern sich, dass die Medien nie darüber berichtet haben. Wundern ist das falsche Wort, ich habe es eher angemerkt. Jeder politische Reporter weiß, dass die Ehe der Obamas wackelt. Aber keiner berichtet darüber. Warum? Aus Höflichkeit. Diese Höflichkeit gewähren die Journalisten auch Trump. Trump profitiert also von einer Norm, an die er sich selbst nicht halten würde. Und so können Melania und er das Bild einer Ehe, die schon lange nur noch ein Geschäftsdeal ist, aufrechterhalten. Mir war das alles nicht so klar, ich habe also während der Recherche einen der Trump-Leute gefragt, warum Melania nie zu sehen ist. Und er antwortete mir völlig überrascht, als sei ich irgendwie begriffsstutzig: Melania lebt im Trump-Tower in New York, er in Mar-a-Lago oder dem Weißen Haus. Sie vermarktet sich mit einem Buch, einer Amazon-Doku, gibt Kryptowährung raus, im Gegenzug tritt sie ab und zu bei einer Veranstaltung auf. Sie weiß, dass Donald-Trump sie für die Fotos braucht. Keiner der beiden hat ein Interesse daran, diesen Deal zu beenden. Es ist also alles in Ordnung. Das Geld fließt.
ZEIT ONLINE: Eine ähnliche Beziehung scheint Trump zu Elon Musk zu haben. Bei einer Wahlkampfveranstaltung im Herbst 2024 sprang Musk auf einer Bühne herum wie Mick Jagger, dabei rutschte sein T-Shirt hoch, man sah seinen Bauch. Sie schreiben, Trump habe daraufhin gesagt: "What the fuck läuft falsch bei dem Typen?" Wolff: Trump checkt jeden auf seine Nützlichkeit ab. Zu anderen Beziehungen ist er nicht fähig. Elon Musk hat nun die Rolle, die Steve Bannon in der letzten Trump-Regierung hatte. Er ist der Mann mit den Ideen, wie man den "Deep State" zerstört.
ZEIT ONLINE: ;Aber die MAGA-Basis beginnt langsam gegen die extremen Kürzungen des Sozialstaates, der Fördermittel, der Lieferverträge mit Bauern zu rebellieren. Trotzdem hat Trump gesagt, er wünsche sich, dass Musk noch aggressiver vorgehe. Wie passt das zusammen? Trump steckt gerade in der Klemme. Schon seit einiger Zeit sagen die liberalen Medien den Bruch zwischen den beiden voraus. Würde Trump also Musk kritisieren, würde er ihnen recht geben. Er muss also zuerst klarstellen, dass Musk ihm Folge leistet, obwohl das im Moment wahrscheinlich nicht mehr ganz stimmt. Er muss ihn zuerst dominieren, um dann auf einen Grund zu warten, ihn fallen zu lassen. Wenn irgendetwas schiefläuft, ist Musk natürlich die perfekte Person, um die Schuld auf ihn abzuwälzen. Dazu wird es ohne Zweifel irgendwann kommen. Die beiden erfolgreichsten Männer der Welt, die beiden größten Egos der Welt, ohne jegliche soziale Kompetenz, wie soll das gut gehen?
ZEIT ONLINE: Eine andere Figur, die Sie ausführlich in Ihrem Buch beschreiben, ist der Investor Jeff Yass – und mit ihm die neue Form der Extrem-Vetternwirtschaft in Washington. Wolff: Jeff hat einen signifikanten Anteil an Trumps Social-Media-Plattform Truth Social gekauft und damit völlig legal Millionen in Trumps Taschen befördert, ohne damit gegen irgendeine Spendenregel zu verstoßen. Aus unerfindlichen Gründen hatte die Aufsichtsbehörde die Fusion von Truth Social mit einer dubiosen Firma erlaubt, deren Aufsichtsräte beide wegen Insidertrading angeklagt waren. Die haben Truth Social dann an die Börsen gebracht und ein perfektes Vehikel geschaffen, Trump Geld zuzuschustern. Jeff Yass ist nämlich auch einer der größten Investoren in TikTok und – Überraschung – hat Trump dazu gebracht, TikTok, entgegen seiner früheren Aussagen, vor der Abschaltung zu beschützen.[...]"
Michael Wolff
72 Jahre alt, ist einer der talentiertesten Journalisten seiner Generation. Er hat drei Bücher über Donald Trump veröffentlicht. Fire and Fury über die ersten 100 Tage im Weißen Haus wurde ein Weltbestseller. Sein viertes Buch Alles oder nichts schildert nun, wie Donald Trump das Weiße Haus zurückerobert hat. Es erscheint am 27. Februar weltweit, gerade mal einen Monat nach Trumps Amtsantritt.
https://www.zeit.de/politik/ausland/2025-02/michael-wolff-autor-donald-trump-buch-alles-oder-nichts/komplettansicht ZEIT 27.2.25