Dienstag, 29. April 2025

Würde eine schwerwiegender Einbruch der Konjunktur oder ein Atomkrieg mit großen Verlusten den Klimawandel hinausschieben?

 Ich habe die Passage bei J. Randers 2025. Der neue Bericht an den Club of Rome, S.296/97 noch einmal nachgelesen. Nüchtern geht er mit den Problemen Atomkrieg und Weltfinanzkrise in der Tat um; aber er sieht noch geringere Folgen eines Atomkriegs für den Klimawandel, als ich in dem vorigen Blogbeitrag, in dem es darum ging, ob Greta Thunberg eine Antisemitin ist, dargestellt habe.

Zum Atomkrieg schreibt er: "Die unmittelbaren Auswirkungen auf die Weltbevölkerung und die Wirtschaft wären jedoch begrenzt. Würden die Bomben 100 Millionen Menschen töten – und das ist etwa zehnmal so viel, wie realistischerweise sterben würden – dann wären das 1,4 Prozent der Weltbevölkerung und derselbe Anteil des weltweiten BIP [Bruttoinlandsprodukt] (wenn man davon ausgeht, dass die Bomben in allen Altersgruppen gleich viele Opfer verursachen). Die Bomben würden die Weltwirtschaft um lediglich acht Monate (bei einer angenommen Wachstums/rate/von 2 Prozent jährlich) und die Bevölkerung um zwölf Monate (bei einer angenommenen Wachstumsrate von 1,4 Prozent jährlich) zurückwerfen. Das heißt, auf den Klimawandel würde sich ein Atomkrieg noch weniger auswirken als die oben beschriebene, finanzielle Kernschmelze." (S.296/97)

Er fügt allerdings hinzu: "Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Das Leid, das ein Atomkrieg verursacht, ist unfassbar und völlig überflüssig. Und die Ungerechtigkeit, dass die einen getroffen werden und die anderen nicht, ist nicht hinnehmbar." (S.297)

Eine große Finanzkrise hätte nach Randers (Copyright 2012) zwar eine größere, aber dennoch nicht wirklich wesentliche Auswirkung auf den Klimawandel. Dazu schreibt er:

"Was wäre, wenn das Vertrauen in das Finanzsystem und damit die Kreditvergabe an die Realwirtschaft komplett zusammenbrechen und das BIP dadurch innerhalb eines Jahres um, sagen wir, 20 Prozent senken würde? [...] Das würde zu einem dramatischen Anstieg der Arbeitslosigkeit führen, der begleitet wird von sinkenden Einkommen, sinkendem Energieverbrauch, sinkenden CO2– Emissionen und einem kleiner werdenden ökologischen Fußabdruck, nicht zu vergessen massive Umschichtung der Eigentumsverhältnisse und Nettovermögenswerte. Die wichtigste Folge jedoch, über den Rückgang von Konsum und Wohlstand und den Anstieg der Armut hinaus, wäre die Tatsache, dass die Menschheit erst später an Grenzen des Planeten stößt. Obwohl dieser Aufschub nicht wirklich lang wäre. Würden fünf Jahre lang die jährlichen Emissionen um 20 Prozent sinken, so würden die kumulierten Emissionen um ein Jahr der normalen Emissionen sinken, das heißt, der sich selbst verstärkende Klimawandel würde nicht im Jahr 2080 einsetzen, sondern erst 2081.

Das heißt eine ernsthafte Finanzkrise würde das Klima nicht retten. Würde die Rezession jedoch intelligent genutzt, indem die Arbeitslosen "grüne" Projekte durchführen, die durch die Notenpresse finanziert werden, könnte sich der wirtschaftliche Aufschwung [(!) [gemeint ist: Abschwung] langfristig als eine Wohltat für das Klima herausstellen. Ich zweifle jedoch, dass das passieren würde." (S. 296). 

Das ist also die Größenordung der Probleme, um derentwillen Greta gestreikt hat und um derentwillen Menschen, denen an dauerndem wirtschaftlichen Aufschwung liegt, verhindern wollen, dass auf Gretas Warnung (und die der anderen Klimaaktivisten)  gehört wird. Deswegen soll Greta eine Antisemitin sein, weil sie die Tötung zigtausender Menschen im Gazastreifen verurteilt hat.

Seit 2012, als Randers aufgrund ziemlich präziser Modellrechnungen diese Prognose aufgestellt hat, sind gut 13 Jahre vergangen, ohne dass die Weltwirtschaft wesentlich umgesteuert hätte.


Ist Greta Thunberg eine Antisemitin, wenn sie die gegwärtige Politik des Staates Israel angreift?

 Es ist wichtig, sich klarzumachen, was die Hamas aus dem Angriff auf das Welthandelszentrum 2001 gelernt hat: Wenn man einen Staat, der einem militärisch völlig überlegen ist, treffen will, muss man zeigen, dass terroristische Angriffe auf die Zivilbevölkerung trotzdem möglich sind und das nicht nur durch Selbstmordattentate, sondern indem man die Zivilbevölkerung großer Teile des Landes in Angst und Schrecken versetzt.

Im Fall der USA hat das dazu geführt, dass sie Afghanistan angegriffen haben, das sie aber nicht langfristig halten konnten, sondern aus dem sie wie in Vietnam als Verlierer abziehen mussten. Es hat außerdem dazu geführt, dass sie den Irak angegriffen haben, wo es dann zu weltweit zu verfolgenden Folterungen kam, und es hat die Einrichtung eines illegalen Gefangenenlagers auf fremdem Staatsgebiet zur Folge gehabt, das mehrere US-Präsidentschaften überdauert hat, weil alle Versuche, es aufzulösen, gescheitert sind.

Die Absicht der Hamas war es, entsprechende Reaktionen Israels auszulösen. Daher die abscheulichen Mordtaten und Verbrechen und zusätzlich die Geiselnahmen, die dauerhaften Druck auf die israelische Bevölkerung und damit auf die Regierung ermöglichten.

Die erste Reaktion Israels war verhältnismäßig: Tötung von Hamasanführern und die Entmachtung der Hisbollah, die im Norden Israels ein ähnliche Gefahr wie die Hamas darstellte. Völlig unverhältnismäßig war der Angriff auf die Bevölkerung im Gazastreifen, ihre Vertreibung in den Süden mit nachfolgendem Angriff auf die Bevölkerung im Süden, wohin sie geflohen waren. Die Bombardements auf den Gazastreifen dauern inzwischen anderthalb Jahre an, inzwischen sind zigtausende Palästinenser umgekommen (über die Zahl 50 000 lässt sich streiten, über 20 000 sind es inzwischen bestimmt). Nach UN-Angaben sind davon inzwischen etwa 70 Prozent Frauen und Kinder. Hinzu kommt die fast zwei Monate andauernde Blockade von Hilfslieferungen, die nicht damit begründet werden kann, dass zwischen Terroristen und Zivilbevölkerung keine eindeutige Abgrenzung möglich sei. Wenn Israel im Libanon und sogar im Iran Terroristen gezielt töten kann, kann man nicht rechtfertigen, der gesamten Bevölkerung eines Gebietes die Lebensgrundlagen zu entziehen, um weitere Hamasmitglieder auszuschalten.

Kritik an dieser Entwicklung ist kein Antisemitismus. Dass Greta Thunberg angesichts der absehbaren Unverhältnismäßigkeit nicht angemessen auf den seelischen Schock reagiert hat, den die ungeheuerlichen Gewalttaten der Hamas ausgelöst haben, nicht nur in Israel, sondern bei Juden in der ganzen Welt, erkläre ich mir durch ihren Autismus.

Wir Durchschnittsbürger reagieren auf das Leid, das wir mit ansehen müssen, stärker als auf das von Millionen von Opfern von Kriegen und Naturkatastrophen. Autisten haben oft größere Probleme, sich in Menschen einzufühlen. Dagegen hat Greta auf die Gefahren, die der Klimawandel heraufbeschworen hat, angemessener reagiert als wir. Denn beim Klimawandel geht es nicht um "nur" Zehntausende oder Hunderttausende von Todesopfern wie bei Schlachten oder einem Atombombenangriff, sondern um die Gefährdung der Überlebensmöglichkeit von Hunderten von Millionen. Wie J. Randers in seinem neuen Bericht an den Club of Rome zu 2052 nüchtern angemerkt hat: Selbst wenn wegen eines Atomkriegs Milliarden von Menschen umkommen sollten, würde das nichts daran ändern, dass ein weltweiter Temperaturanstieg von 3 oder 4 Grad so viel natürliche Lebensressourcen zerstören würde, dass es für die Lebenschancen der übrigen Menschheit keinen merkbaren Unterschied machte.

Wir Durchschnittsmenschen - oder zumindest solche wie ich - können in diesen Dimensionen gar nicht denken. Greta Thunberg hat sich schon 2018 gewundert, dass über Naturkatastrophen und Kriege mehr berichtet wird als über die uns drohende Weltkatastrophe. Eine Antisemitin ist sie deshalb nicht.

Samstag, 26. April 2025

Brutverhalten der Vögel

 Von Pinguinen bis Flamingos: Was ein Blick in Vogelnester lehrt FR26.4.2025

" [...]  Der größte lebende Pinguin ist der Kaiserpinguin. Er lebt an den nördlichen Eisrändern der Antarktis. Saukalt, kein Baum, kein Strauch und fliegen kann er auch nicht. Die Möglichkeiten des Nestbaus sind also stark begrenzt und sowieso nicht angeraten, weil das Ei auf sich allein gestellt einfach durchfrieren würde. Statt Nest gibt es eine Brutkammer aus Papas oder Mamas Füßen als Boden und einem coolen Fett- und Feder-Hoodie obendrüber. Seetaucher bauen schwimmende Nester. Cool, weil kein Räuber rankommt, der festen Boden unter seinen Füßen braucht, nicht ganz so super, wenn es Wellen oder gefräßige Möwen in der Nähe gibt – und natürlich ganz, ganz doof, wenn ein Ei da runterkullert und im Wasser landet.
Ein guter Kompromiss sind Flamingonester. Einfach einen kleinen Schlammhügel auftürmen, oben eine Delle rein, fertig. Der hart gewordene Matschhaufen schützt die Eier vor Überschwemmungen und Räubern, die keine Lust auf nasse Füße haben. 

Apropos Bruthaufen. Die Meister dieser Disziplin sind Großfußhühner, die nichts davon halten, ihre Eier selbst auszubrüten, das aber auch sonst niemandem überlassen wollen. Die in Australasien beheimateten Tiere schichten einen mindestens zwei Meter breiten und 75 Zentimeter hohen Bruthügel aus Sand und Kompostmaterial auf, in dem die Wärme, die beim Abbau des Pflanzenmaterials entsteht, für die notwendige Bruttemperatur sorgt. Damit das gut funktioniert, messen die auch Thermometerhühner genannten Tiere die Temperatur im Inneren des Haufens und schichten auf und ab, wenn nötig. Aber auch wenn man an Land brütet, muss man sich nicht unbedingt mit Vegetation abmühen.[...] Brandgänse brüten gerne in Kaninchenbauten und sogar in bewohnten Fuchsbauten. Zur Brutzeit gilt vonseiten des Fuchses ein „Burgfrieden“, warum auch immer.[...] "

Dienstag, 22. April 2025

KI und Wikipedia

Zu dem Thema gibt es sehr viele Diskussionen schon allein auf der Wikipedia, aber natürlich auch in der allgemeinen KI-Diskussion, die natürlich längst  für jeden Normalmenschen unüberschaubar ist. - Ich plane hier gelegentlich aus diesen Diskussionen zu berichten. Diese Berichte werden natürlich verschlagwortet. 

"[...] Ich sehe das Ziel der WP darin, Wissen zu vermitteln. Zum Wissen gehört aber auch, die Grenzen des Wissens aufzuzeigen. KI-Systeme, jedenfalls soweit ich sie kenne, sind dagegen darauf abgerichtet, Fragen zu beantworten, ein Ergebnis zu liefern. Reicht die Basis an Information dafür nicht aus, ist der Algorithmus gefragt, der dann die Antwort generieren muss.

In meinem früheren Beruf als Jurist ist mir diese Problematik durchaus geläufig. In gar nicht so seltenen Fällen reichen die zusammengetragenen Informationen nicht aus, um eine Rechtssache entscheiden zu können. Manchmal liegen auch die gewünschten Informationen in der Zukunft, und manchmal ist die Informationsbeschaffung schlicht zu teuer. Trotzdem muss die Rechtssache entschieden werden und zwar zeitnah in der Gegenwart. Hier treten nun die Regeln auf den Plan, insbesondere Beweislastregeln, denen im Informatikbereich die Algorithmen entsprechen. In der Jurisprudenz sind die Regeln wohldefiniert und publiziert, im Bereich der KI eher nicht. Hier in der WP sind wir auch nicht angehalten, auf alle Fragen eine Antwort zu finden, die KI ist aber darauf trainiert, dem Prompt zu entsprechen. --Hajo-Muc 
Bereichsspezifik von Wissensvermittlung ist ein wichtiger Punkt. Und wo es noch kein Wissen gibt, sollte auch die KI keins finden ohne Halluzinationen (ausser vorhandenes Wissen zu verknüpfen, wo ich auch schon fragen würde, ob KI das kann). "Kunden" der Chatbos dürfte in der Mehrzahl Leute sein, die eine unbeantwortete Frage habe - trivial oder nahe an einem Fachgebiet. Und die KI beantwortet die eben auch - kurz und fokussiert, statt auf Wikipedia zu verweisen, wo man quasi alles dazu erfährt, aber mehr lesen muss. Abgesehen von Halluzinationen ist KI einfach "radikalinklusionistisch". Relevant ist, was dazugehört - aber eben nur insofern stimmt, wie es in der Quelle selber stimmt. Dort würde die menschliche Kuratierung von Wissen zumindest so lange sinnvoll sein, wie die KI nicht selber solche Prüfungsalgorithmen (Widerspruchsfreiheit) entwickelt, was auch in der Pipeline ist. --Wortulo"  (WP-Kurierdiskussion)

Zum gegenwärtigen Stand des Projektes: WikiProjekt KI und Wikipedia

Status Quo: "Gegenwärtig ist KI nur in einer Richtlinie erwähnt - Wikipedia:Belege (Grundsätzliches, Punkt 8): -

  • Sprach-KI sind derzeit nicht in der Lage, korrekt belegte Beiträge zu erstellen. Beiträge, die damit erstellt werden, verstoßen daher unter anderem gegen WP:Keine TheoriefindungWP:BelegeWP:UrheberrechtsverletzungWP:Neutraler Standpunkt; ihre Verwendung ist daher derzeit generell unerwünscht.
    • Eng ausgelegt bezieht sich "Beiträge" sowohl auf KI-erstellte Artikel, auch als Teile von Artikeln
    • Der Einsatz generativer KI als Hilfsmittel (z.B. für die Recherche, Übersetzungen, sprachliche Verbesserungen, Zusammenfassungen,...) ist insofern jetzt mit gemeint, wie damit erstellte Textteile als Beiträge verwendet werden.

Fakt ist, dass der Punkt als Löschbegründung für erkannte KI genutzt wird, es fallen abervor allem qualitativ schlechte Beiträge auf.

Eine neue Lage bezüglich KI ergibt sich durch die Verbesserung der Leistungsfähigkeit und formalen Qualität der Formulierungen von KI, ihre zunehmende Verbreitung und Nutzung im realen Leben und auch Befürwortungen des Einsatzes innerhalb der Wikipedia, weil sie immer mehr genutzt wird. Die einfache Erkennbarkeit als KI-generiert wird geringer, es fallen nur noch schlechte Anwendungen auf (die gelöscht werden). Eine vergleichende Untersuchung legt eine Dunkelziffer nahe, wo solche Teile nicht erkannt werden. Diese wird vermutlich wachsen - jüngere Neuautoren lernen den Umgang mit KI in der Schule.

Es bleibt als ernstes Problem: die "Halluzinationsrate" (nicht vorhandene Quellen, falsche Fakten), die laut Literatur zwischen 5 und 10% betragen kann und noch eine Weile anhalten wird (als eine Art "Systemschwäche").

Verantwortungsvoller Einsatz bedeutet Prüfung durch den "Verwender" von KI, dass die Quelle selbst existiert und die verwendeten Fakten wirklich so in der Quelle stehen. Wenn man die verantwortungsvolle Nutzung von KI als Hilfsmittel zulassen will, bedarf es einer Anpassung der erwähnten Richtlinie im Konsens (wo aber die Ziele selber vorher noch klarer herausgearbeitet werden müssten).

Mögliche Verstösse gegen WP:Keine TheoriefindungWP:BelegeWP:UrheberrechtsverletzungWP:Neutraler Standpunkt bedürften einer genaueren Erläuterung, inwiefern das bei verantwortungsvoller Nutzung wirklich noch zutrifft.

Widerstände gibt es aus verschiedenen Richtungen, Wikipedia soll Garant für menschlich kuratiertes Wissen bleiben, KI sei nur ein vorbeigehender Hype (u.a.) - was bis zur Forderung eines generellen Verbotes der Nutzung von KI geht.

Man muss die neuen Nutzungsmöglichkeiten genauer danach definieren, inwieweit sie anfällig für Halluzinationen oder andere Fehler sind und ob der verantwortungsvolle Umgang auch durch bessere Richtlinien geregelt werden kann.

Diskutiert wird, dass Autoren den verantwortungsvollen Einsatz selbst auf ihrer Benutzerseite deklarieren können (sprich dass sie sich der Probleme bewusst sind, wenn sie KI einsetzen).

Diskutiert wird auch, wie mit Artikeln und Autoren umgegangen wird, wo Zweifel im Zusammenhang mit verantwortungsvoller Nutzung von KI aufgekommen sind (AI Cleanup der englischsprachigen WP als ein Beispiel). Die Gefahr des unkritischen Einsatzes bis zum Missbrauch oder Austestens der Wikipedia, ob das bemerkt wird, scheint realistisch.

Die auf der AdminCon 2025 gestartete Initiative kann dazu ausgebaut werden, weil Erfahrungen systematisch gesammelt werden sollten, Administratoren die Löschentscheidungen treffen und der Umgang etwas mehr vereinheitlicht werden sollte. Daraus würden sich auch Formulierungen in unseren Richtlinien ergeben, wenn man dort zuerst einen Konsens findet."


Montag, 21. April 2025

Zonengrenze


In den frühen 1990er Jahren war der 10-Meter-Grenzstreifen noch nicht zugewachsen, aber die Zonengrenze schon eine Sehenswürdigkeit.







Der Kolonnenweg für die Fahrzeuge der DDR-Grenzsoldaten (Foto von 2016 Wikipedia Commons)

Samstag, 19. April 2025

Über den verkorksten Zustand von Stuttgart 21

 Es ist schlimm, wenn die Öffentlichkeit so betrogen wird und Milliarden, die die Deutsche Bahn unbedingt für die Erneuerung ihrer Infrastruktur gebraucht hätte, dafür verwendet werden, sie zu zerstören. Zusammen mit den Coronamaßnahmen haben Stuttgart 21 und der Berliner Flughafen viel von dem Vertrauen in die Demokratie des vereinigten Deutschlands  kaputt gemacht.

Eine Begründung für dieses Urteil würde freilich zu weit führen. Hier ein aktuelles Schlaglicht im Morning-Briefing des Spiegel um 6 Uhr:

"Lichtaugen und Verteilerstege

Wissen Sie noch, Stuttgart 21? Zehntausende gingen einst auf die Straße, um gegen den neuen Eisenbahnknotenpunkt zu demonstrieren. Die Proteste eskalierten, als die Polizei den Schlossgarten mit unverhältnismäßiger Gewalt räumte und etliche Menschen verletzte. Es kam zur Schlichtung und einer Volksabstimmung, bei der sich die Mehrheit hinter das Projekt stellte. Rund 15 Jahre ist das her.

Großbaustelle Stuttgart 21

Arnulf Hettrich / IMAGO

Und heute? Keine Sorge, eröffnet wird der neue, seit den 1990er-Jahren geplante unterirdische Bahnhof immer noch nicht. Soweit soll es erst Ende 2026 sein, zumindest teilweise. Der Eröffnungstermin wurde allerdings schon mehrfach verschoben, wie das bei Großprojekten in diesem Land so üblich ist. Aber an diesem Wochenende können sich einige Zehntausend Interessierte nach Voranmeldung mal wieder ansehen, was da eigentlich so lange dauert.

Es gibt Lichtaugen zu bestaunen, Verteilerstege und Gitterschalen. Ich erspare Ihnen Details. Theoretisch, heißt es, sei es bereits möglich, vom Stuttgarter Stadtteil Feuerbach bis Ulm zu fahren. Theoretisch.

Das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 hält nicht viel vom Tag der offenen Baustelle. Die Kritiker betonen, dass der Bahnhof, wenn er irgendwann mal fertig wird, von Anfang an zu klein sein wird. Wirklich laut vernehmbar ist der Protest ehrlicherweise nicht mehr. Wie hieß es vor einer Weile in der »FAZ« so schön: »Selbst die verbittertsten Gegner des Projekts Stuttgart 21 sind müde und alt geworden.«

Freitag, 18. April 2025

Mama lern Deutsch!

"Das Verhältnis seines jüngeren Ichs zu Deutschland vergleicht Durgun mit der Beziehung, die man zum beliebtesten Mitschüler in der Schulklasse hatte: "Es war so, als hätte ich jedes Jahr versucht, Deutschland zu meinem Kindergeburtstag einzuladen, aber es war nie gekommen – ohne Kommentar. [...] "Die Ehe meiner Eltern ist wie Carmen Geiss – erschreckend laut und trotzdem liebevoll." Auf solche Jokes folgen jedoch immer wieder Passagen, in denen er mit seiner Mutter auf verstörend harte Weise ins Gericht geht. Seine ganze Jugend über habe sie ihn und seine Sprachkenntnisse ausgenutzt, ihn Behördenbriefe, Arztdiagnosen, Kochrezepte übersetzen lassen, bis heute – und versäume so die Chance, ein vollwertiges Mitglied der Gesellschaft zu werden. "Denn ganz ehrlich: Um an einer Gesellschaft teilhaben zu können, ist Lesen und Schreiben das Mindeste."

Damit greift Durgun einen beliebten Talking Point von Konservativen und Rechten auf: die integrationsunwillige, die deutsche Sprache auch nach Jahrzehnten nicht beherrschende Migrantin. "Ich gebe zu, der vorige Absatz hätte auch ein Auszug aus dem Protokoll des letzten Sommerfestes der AfD-Jugend sein können", kommentiert Durgun das lakonisch. Auch an anderer Stelle scheint er keine Berührungsängste mit potenziell rassistischen Stereotypen zu haben, etwa wenn er schildert, wie sein Kumpel Baran sich Geld ergaunert, indem er an Haustüren Spenden für vermeintlich gute Zwecke sammelt, "für Klimaschutz oder Tierheim oder so" 

Passagen wie diese lassen die Leserin ratlos zurück: Spielen solcherlei Erzählungen nicht den Falschen in die Karten, auch wenn sie humoristisch aufgeschrieben sind? Dass seine ambivalenten Beobachtungen der migrantischen Community instrumentalisiert werden können, ist für Durgun offensichtlich jedoch kein Grund, sie nicht zu veröffentlichen. Er zeichnet das komplexe Gesamtbild seiner Kindheit, wie er sich an sie erinnert. "Dieses Buch hilft, um Deutschland zu verstehen", schreibt er.

Durgun [...] fügt der postmigrantischen Debatte eine neue Dimension hinzu, indem er die eigene Community in die Verantwortung nimmt. Am Ende findet er dann doch noch versöhnliche Worte für seine Mutter. Wenn er beschreibt, wie sie ihm beigebracht habe, dass "Cay den Kummer von der Seele spült", wird deutlich, wie viel Bewunderung er aufbringt für die Zuversicht, die sie ihm trotz aller Hürden vermittelte. [...]" (ZEIT 16.4.25)

Tahsim Durgun: Mama, bitte lern Deutsch!

Siegfried Unseld

Bezug:

https://www.zeit.de/kultur/literatur/2025-04/siegfried-unseld-nsdap-entnazifizierung-spruchkammerverfahren

 https://www.zeit.de/2025/16/siegfried-unseld-nsdap-mitgliedschaft-reaktionen-suhrkamp

https://www.zeit.de/2025/16/siegfried-unseld-nsdap-suhrkamp-literatur

Siegfried Unseld ist mit 17 Jahren in die NSDAP eingetreten und hat über Jahrzehnte hin, wo er die "Suhrkampkultur" vorantrieb, die mit Fug und Recht auch Suhrkamp-Unseld-Kultur heißen könnte, nicht öffentlich bekannt gemacht. Heute wird darüber u.a. gesagt: Er hat es "beschwiegen" so wie Günter Grass seine Waffen-Mitgliedschaft (die er nie verheimlicht, aber auch jahrzehntelang nicht öffentlich bekannt gemacht hat). 

Als er dann in seinem Werk Beim Häuten einer Zwiebel darüber schrieb, war die Reaktion eine gemischte. 

Zur Kritik: "Joachim Fest äußerte sein Unverständnis, „wie sich jemand 60 Jahre lang ständig zum schlechten Gewissen der Nation erheben kann, gerade in Nazi-Fragen – und dann erst bekennt, dass er selbst tief verstrickt war“.[62] Verschiedene Autoren, vor allem solche aus dem Kreis der Neuen Frankfurter Schule, überzogen Grass aufgrund des hier behandelten Anlasses in dem Sammelband Literatur als Qual und Gequalle. Über den Literaturbetriebsintriganten Günter Grass mit heftiger Polemik hinsichtlich seiner Person, wie auch der Qualität seines Werkes.63(Wikipedia)

Der Abschnitt "Zugehörigkeit zur Waffen-SS" in der Wikipedia von heute umfasst 641 Wörter. Unter anderem wird dabei angesprochen, dass das Nobelpreiskomitee der Forderung, ihm den Nobelpreis abzuerkennen, nicht nachgekommen sei. 

Wenn ein Nobelpreisträger, der zur Waffen-SS eingezogen wurde, nicht freiwillig eingetreten (!) war, solcher Polemik ausgesetzt wurde, womit musste ein Unternehmer rechnen, dessen Verlag sein Renommee wesentlich daraus bezog, dass er "die deutschen Bücherregale mit der Gegenwart jener deutsch-jüdischen intellektuellen uns stimulierenden Kraft erfüllt hat, welche der Nazismus auslöschen wollte"[104]?

Nicht Unselds Biographie muss aufgrund der Entdeckung seines NSDAP-Beitritts an einem wesentlichen Punkt neu geschrieben werden, sondern es ist Zeit, darüber nachzudenken, wie sehr Skandalisierung eine besonnene Reflexion darüber verhindert hat, was zeitbedingt ("Zeitgeist") ist (war) und was wesentlich zur Charakterisierung eine Person beiträgt. 

Unseld konnte darauf rechnen, dass Vertreter der Suhrkampkultur wie etwa Jürgen Habermas seinen Ruf auch nach seinem Ableben zu schützen wissen würden. Zu seinen Lebzeiten hätte ihn eine solche Diskussion wesentliche Kraft gekostet, die er für andere Arbeit brauchte, und womöglich hätte sich (in falsch verstandener "Rechtschaffenheit") auch mancher würdige Vertreter dieser Kultur von seinem Verlag abgewendet wie später - aus anderen Gründen - etwa Adolf Muschg, der die Person Unseld jetzt aus guten Gründen verteidigt. 

Natürlich sind der Klimawandel, die ungerechte Einkommens- und Vermögensverteilung national und international und die daraus erwachsende Gefährdung der Demokratie wichtigere Themen, selbst Trumps tägliches Bemühen, auf sich aufmerksam zu machen, darf man nicht ganz außer Acht lassen, weil damit große Gefährdungen des Friedens und der Weltwirtschaft einhergehen, aber dass in aufs Ganze gesehen seriösen Medien solch krasse Fehlbewertungen auftreten, trägt dazu bei, dass differenzierte Urteile immer weiter aus der öffentlichen Aufmerksamkeit verdrängt werden. Und die Suhrkampkultur war ein ganz wesentlicher Beitrag zum Strukturwandel der Öffentlichkeit in der Bundesrepublik. Es ist nicht nur Nostalgie, wenn man ihren Niedergang beklagt. 

Donnerstag, 17. April 2025

Weshalb wird so wenig über Erben gesprochen?

Das ist Spermalotterie ZEIT 18.4.25

"[...] Martyna Linartas: Über Geld und Erben spricht man nicht, sogar wenn es turbulent wird. Das zeigt jetzt auch der deutsche Koalitionsvertrag. Allein das ist doch hochinteressant: Die Forschungsdiskussionen über die Bedeutung des Erbens für die Demokratie sind lebhaft. Aber die wissenschaftlichen Erkenntnisse sickern nicht in Politik und Gesellschaft ein. Und das, obwohl Deutschland neben Ländern wie den USA und Mexiko zu einer der ungleichsten Demokratien der Welt zählt und sich von einer Leistungsgesellschaft zu einer Erbengesellschaft entwickelt hat, in der weniger als die Hälfte aller privaten Vermögen im Laufe des eigenen Lebens aufgebaut wurde. Der größere Teil des Vermögens besteht aus Erbschaften und Schenkungen. Es läge in einer Demokratie nahe, dass die Mehrheitsgesellschaft gegen diese Ungerechtigkeit protestiert und dass sie wie die Wissenschaft nach Besteuerung oder Abgaben ruft. Aber das tut sie nicht. 

ZEIT: Und warum nicht?

Linartas: In Deutschland versteht man Vermögen als familiäre Privatsache, aus der der Staat

sich heraushalten soll, und viele fürchten, dass das mühsam verdiente Eigenheim der Familie

im Erbfall besteuert würde. Aber das ist eine Informationslücke! Denn in Wirklichkeit ist das Familienhaus steuerfrei, und erst ab einer halben geerbten Million für Ehepartner und 

400.000 Euro für Kinder werden Steuern fällig.

ZEIT: Also nur für eine kleine Minderheit.

Linartas: Nur etwa 30 Prozent der Deutschen erben Summen von über 100.000 Euro. Die 

Hälfte erbt nichts oder sogar Schulden – die sie zum Glück ausschlagen können. Es fehlt in 

Fragen von Erbschaften und dem Zusammenhang mit Demokratie und Ungleichheit oft an 

Wissen. Und hinzu kommt, dass Steuern als Last für die Wirtschaft oder als Raub an 

Privatvermögen gelten. Das ist eine Nachwirkung des neoliberalen Zeitgeistes, den die 

westlichen Demokratien noch nicht abgeschüttelt haben. Dabei galten Steuern 

hierzulande seit der Weimarer Republik auch bei Konservativen immer wieder als 

das wichtigste Instrument der Demokratie und nach dem Krieg auch bei den 

Liberalen. [...]

ZEIT: Erbe ist "unverdientes Einkommen", so hat es der Philosoph John Stuart Mill schon im 19. Jahrhundert festgestellt. Was ist für Sie verdient – und was unverdient?

Linartas: Verdient ist, wofür man selbst arbeitet, also klassisch die Lohnarbeit, für die man 

ein Einkommen bezieht. Wenn ich es schaffe, davon etwas zur Seite zu legen, und so im 

Verlauf eines Lebens ein Vermögen entstehen kann, dann ist es verdient. Unverdient ist, was 

nicht durch Arbeit entstand, was einem ohne eigenes Zutun nur durch die Geburt als Erbe in 

den Schoß fällt – wie im Feudalismus und in Monarchien. Je reicher man ist, desto mehr 

arbeitet das Vermögen. Ich würde deshalb auch sagen: Was nur das Vermögen selbst an Wertzuwächsen schafft, ist kein Resultat der eigenen Arbeit mehr. Diese Zuwächse werden in Deutschland niedriger besteuert als das Arbeitseinkommen.# ZEIT: Dieses Argument ist am Individuum und seiner Leistung orientiert. Zeigt nicht die deutsche Wiedervereinigung, dass 

es auf mehr als aufs Elternhaus ankommt?

Linartas: Allerdings. Nachdem die Treuhand ab 1990 die DDR privatisiert hatte, waren 85 

Prozent des einstigen "Volkseigentums" in westdeutschen Händen, 10 Prozent in 

internationalem Besitz – und nur 5 Prozent wurden ostdeutsches Eigentum. Das Privileg der 

premium citizenship entsteht eben nicht nur durch den Zufall der Eltern, die ein Mensch hat, 

sondern außerdem durch das Land, die Region der Welt, in die man zufällig geboren wird. 

Darüber muss offen gesprochen werden. Die dominierende Erzählung, jeder sei seines 

Glückes Schmied und könne durch Leistung alles schaffen, wirkt sonst auf die Menschen wie eine Tyrannei, so hat es der Philosoph Michael Sandel ausgedrückt. Darin liegt die Gefahr für die Demokratie. Die Motivation für Leistung geht flöten, wenn man merkt, dass sie nicht zu 

Wohlstand führt. Es schwindet die Lust, einen Beitrag zur Gesellschaft zu leisten. Viele sehen

 sich nicht repräsentiert, und ihre Interessen werden in einer Politik für Wohlhabende 

tatsächlich nicht vertreten."

[...] ZEIT: Sie plädieren unter anderem dafür, dass im Erbfall einfach alles Vermögen oberhalb eines Freibetrags von einer Million Euro plus eigener Immobilie besteuert wird wie Einkommen. Vor allem aber votieren Sie für ein Grunderbe, das jeder Bürger, jede Bürgerin erhalten sollte. Inwiefern wäre denn ein Grunderbe verdient? 
Linartas: Die ursprüngliche Idee geht zurück auf Thomas Paine, im 18. Jahrhundert einer der Gründerväter der Vereinigten Staaten. Er war nicht nur von den Gleichheitsidealen der Aufklärung überzeugt, sondern er fand wie Rousseau, im Naturzustand seien alle Menschen gleich geboren, und erst die Zivilisation habe für Ungleichheit und Ungerechtigkeit gesorgt. Große Vermögen sind nun einmal immer dadurch aufgebaut worden, dass sie gesellschaftlich ermöglicht wurden. Sie sind die Leistung einer Gesellschaft, nicht die von Einzelnen. Ein Grunderbe einzuführen, wäre eine solche gesellschaftliche Leistung. Die Höhe würde, in Anlehnung an den Vorschlag des Rockstars der Ungleichheitsforschung Thomas Piketty, 60 Prozent des Durchschnittsvermögens betragen. Für Deutschland wären das aktuell etwa 190.000 Euro. Bezahlt würde das Grunderbe durch eine Reform der Erbschaftsteuer und weitere Reformen im Steuersystem. Es ist nicht nur das Instrument, das am besten geeignet ist, die extreme Vermögensungleichheit zu reduzieren, indem von unten Vermögen aufgebaut wird. Sondern es kann auch zum Ausdruck bringen, dass in einer Demokratie, unabhängig von Geburt und Besitz, jeder ein unverzichtbarer Teil der Gesellschaft ist.
ZEIT: Aber ist denn jeder begabt, Vermögen aufzubauen, oder ist das nicht Teil des kulturellen Kapitals eines Elternhauses? 
Linartas: Wir sollten das Grunderbe nach und nach einführen, damit jeder genug Zeit und die Chance hat zu lernen, mit Geld umzugehen, und es nicht einfach verpulvert. Übrigens ist es auch deshalb wichtig, die Ungleichheit der Vermögen zu verkleinern, damit Menschen, die etwas auf dem Kasten haben, lieber im Finanzministerium anheuern als in der Wirtschaft, in der man viel besser verdient."

Montag, 14. April 2025

Muss Beton ein Klimakiller sein?

"[...] Der Druck auf die Zement- und Betonindustrie ist groß, ihr Produkt klimafreundlicher zu machen. Schließlich gilt auch für sie die Ansage, dass bis Mitte des Jahrhunderts die „Netto-Null“ bei den Treibhausgasen erreicht werden muss, um das 1,5- bis Zwei-Grad-Limit der Erderwärmung noch einhalten zu können. Dazu gibt es verschiedene Ansätze. Etwa das Konzept, das entstehende CO₂ abzuscheiden und unterirdisch endzulagern, CCS genannt. Bei dem neuen Produkt allerdings, das jetzt erstmals in einem Baugebiet in Hessen, in Fronhausen bei Marburg, eingesetzt wurde, rührt die CO₂-Einsparung „von bis zu 70 Prozent“ (Hersteller) von einer Umstellung in der Zusammensetzung des Produkts her. Der Zement bei next.beton wird durch ein anderes mineralisches Bindemittel ersetzt, das nicht mehr gebrannt werden muss. Entwickelt wurde das Verfahren von dem australischen Baustoff-Konzern Wagners, der es als „Earth Friendly Concrete“ (concrete = Beton) vermarktet.

Für den zementfreien Beton, Geopolymerbeton genannt, nutzen die Hersteller – drei mittelständische Unternehmen aus der Kanalbau-Branche hierzulande – gemäß der Wagners-Rezeptur industrielle Nebenprodukte wie Hochofen-Schlacke und Flugasche, die in Kohlekraftwerken anfällt. Vorteil: „Bei diesem Prozess wird deutlich weniger Energie als bei zementgebundenem Beton benötigt, da die Hitzebehandlung bereits im Hochofen stattgefunden hat.“ So erläutert das Hersteller-Trio, das deutschlandweit rund drei Dutzend Produktionsstätten betreibt. Energie werde in dem Prozess nur eingesetzt, um die recycelten Rohstoffe aufzubereiten.

Druckstabiler als das Original

Risiken gibt es, so die Produzenten, keine. Bei den neuartigen Kanalrohren seien keinerlei technische oder qualitative Einbußen gegenüber der Standardware festzustellen, zudem seien sie nach der Nutzungsdauer zu 100 Prozent recyclingfähig. Auch das Handling sei identisch. „Tatsächlich sind die Rohre sogar haltbarer“, sagte Mario Bodenbender von der Geschäftsleitung der hessischen Unternehmensgruppe Finger Beton, im Gespräch mit der FR. Die Gründe: Sie sind druckstabiler und werden, da sie weniger Kalkverbindungen enthalten, von Säuren und anderen aggressiven Substanzen im Abwasser praktisch nicht angegriffen. „Das ist ein großer Vorteil“, sagte Bodenbender, dessen Firma die jetzt in einem Neubaugebiet verlegten Abwasserrohre produziert hat. Die Nutzungsdauer der Rohre, die in Durchmesser von 30 bis 240 Zentimetern gefertigt werden können, gibt er mit „über 100 Jahre“ an. „Wir selbst werden sie nicht mehr aus der Erde herausholen müssen“, sagt er schmunzelnd." ( https://www.fr.de/wirtschaft/beton-mal-anders-baustoff-ganz-ohne-den-klimakiller-zement-93672309.html FR 8.4.25)

Donnerstag, 10. April 2025

NSDAP-Parteimitgliedschaft

 Wie wichtig ist es, ob jemand, der in der Geschichte der Bundesrepublik eine wichtige Rolle für die Ausgestaltung der demokratischen Gesellschaft gespielt hat, in der Zeit, als er noch nicht mündig war, Mitglied der NSDAP war?

Muss seine "Biografie an einem zentralen Punkt neu geschrieben" werden?

Wie wichtig ist es in dem Kontext, ob er irgendwann öffentlich drauf hingewiesen hat, dass er Mitglied der NSDAP war?

Mitglied 9194036 von Thomas Gruber 

Meine Frage: Gab es den Moment in der Geschichte der Bundesrepublik, wo für eine Person, zu derem Ansehen wesentlich beitrug, dass sie überzeugende Vertreterin der deutschen Demokratischen Gesellschaft war,  ein Comingout in dieser Frage keine Gefährdung ihrer gesellschaftlichen Rolle gewesen wäre?

Ich glaube: Nein. Dagegen spricht meiner Meinung nach nicht, dass Erhard Eppler diese Parteimitgliedschaft anstandslos zugegeben hat. Eppler wurde so sehr mit seinem entwicklungspolitischen Engagement, seiner Rolle in der Friedensbewegung und als  Kirchentagspräsident identifiziert, dass ihm das nicht geschadet hat. In seinem Wikipediaartikel beziehen sich nur 55 Wörter darauf. Aber war es ein Durchbruch?

Dass Günter Grass, der Nobelpreisträger von 1999,  2006 öffentlich bekanntmachte, er sei Mitglied der Waffen-SS gewesen, führte zu einem  641 Wörter umfassenden Abschnitt in seiner Wikipedia-Biographie. 

Ich lade dazu ein, sich über den Fall Mitglied 9194036 anhand des vorliegenden Artikels eine Gedanken zu machen. 


Dienstag, 8. April 2025

Trumps Nebenerwerbsgeschäfte

 Millionen aus einem saudischen Staatsfonds für ein Golfturnier (Besitzer des Golfplatzes und zufällig auch noch Gewinner des Turniers: Donald Trump). Millionen von willigen Spendern für ein gemeinsames Abendessen mit Trump. Dazu nicht nur eine, sondern zwei Kryptowährungen, über die Trump diskret Beträge in beliebiger Höhe zugesteckt werden können... (Spiegel 8.4.25)

Spaziergänger und Flaneur

 "Von einem Spaziergänger lässt sich nicht behaupten, er mache Umwege." (Schopenhauer) 

Schopenhauer mit seinem Pudel war seiner Zeit voraus, Theodor Fontane war trotz seiner "Wanderungen" in Brandenburg eher mit Eisenbahn und Kutsche unterwegs, in Berlin aber ein eifriger "Spatziergänger".

Walter Benjamin führte den Flaneur in die deutsche Begriffswelt ein, während Marcel Proust und Virginia Woolf das weibliche Flanieren in einem Emanzipationsakt vom Odium der Prostitution befreiten.